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Links vor rechts

■ Schlechte Nachrichten für linkshändige Mitbürger

Wer links schreibt, wirft oder malt, lebt kürzer als die rechtshändigen Mitmenschen. Ganze neun Jahre weniger! Das haben kanadische und kalifornische Wissenschaftler herausgefunden. Aber niemand, nicht einmal die Forscher selbst, wollen so recht an ihre Ergebnisse glauben. Studienleiter Stanley Coren ist „baff“ und Psychologe Alan Searlman durcheinander: „Eine solche Differenz soll uns bis 1991 entgangen sein?“

Coren prüfte 1.000 willkürlich gewählte Todesscheine aus zwei kalifornischen Regierungsbezirken. Er befragte Angehörige, ob die Verstorbenen links- oder rechtshändig gewesen seien. Das Durchschnittsalter der Rechtshänder lag bei 75 Jahren, das der Linkshänder bei 66 Jahren.

Einige Dinge, die den Linkshändern das Leben erschweren, sind bekannt. So bestätigte die neue Untersuchung, daß Linkshänder öfter als Rechtshänder bei Unfällen ums Leben kommen. Laut Todesschein waren 7,9 Prozent der Linkshänder, aber nur 1,5 Prozent der Rechtshänder bei Unfällen gestorben. Linkshänder sind also in unserer von und für Rechtshänder geschaffenen Welt benachteiligt. Dafür lieferte Coren auch gleich ein Beispiel: Das Autofahren. In Notfallsituationen werfen Rechtshänder in einem Schutzreflex ihren linken Arm über die obere, den rechten Arm über die untere Gesichtshälfte. Dabei wird das Lenkrad nach rechts in Richtung Straßenrand gerissen. Bei Linkshändern verläuft der Reflex umgekehrt, so daß der Fahrer auf den Gegenverkehr zusteuert. (Coren sollte seine Studien in Großbritannien oder anderen Ländern fortsetzen, wo links gefahren wird.)

Doch Unfälle allein sind nicht für eine Lebenserwartungs-Differenz von neun Jahren verantwortlich. Coren und seinen Kollegen wird vorgeworfen, den sozioökonomischen Status ihrer „Versuchspersonen“ links liegengelassen zu haben. Denn Linkshänder hätten angeblich mehr psychische Probleme und seien einseitiger begabt als Rechtshänder. Womöglich hätten sie es deshalb auch schwerer, gut bezahlte Arbeit zu bekommen. Außerdem seien ärmere Menschen in den USA oft nicht krankenversichert und suchten deshalb auch bei Krankheit keinen Arzt auf. Andererseits sind Kinder, die hohe Punktzahlen in schulischen Leistungstests erhalten, doppelt so oft linkshändig wie die Durchschnittsbevölkerung. Angesichts dieser Unklarheiten, weigert sich Psychologe Paul Bakan, die Studie „zu akzeptieren“ bis sie wiederholt, überholt, ergänzt und gründlichst analysiert ist. So lange können sich Linkshänder, die nicht nach Großbritannien auswandern wollen, zumindest an ihrer guten Gesellschaft erfreuen. Leonardo da Vinci, Michelangelo und Pablo Picasso waren Linkshänder. Einseitig begabt? Vielleicht, aber wie wär's mit Charlie Chaplin oder Ringo Starr? Andererseits... Auch George Bush zieht die linke Hand vor! Silvia Sanides

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