Keine Zauberformel für die Rückgabe der Kurilen

Tokio (taz) — „Die Kirschen stehen in voller Blüte“, freute sich Michail Gorbatschow nach einem Spaziergang im Garten des Tokioter Kaiserpalastes. Außer Kirschblüten haben die japanischen Gastgeber, vom Kaiser bis zum Arbeitgeberpräsidenten, beim ersten Besuch eines sowjetischen Staatsoberhaupts bislang auch wenig zu bieten. „Ich wünsche mir die sowjetisch-japanischen Beziehungen so schön wie das Sonnenwetter von heute“, begrüßte Ministerpräsident Toshiki Kaifu den hohen Gast aus dem Kreml. Was steckt diesmal hinter der japanischen Höflichkeit?

Nach einer ersten dreistündigen Verhandlungsrunde zwischen den beiden Regierungschefs ließen ihre Sprecher mitteilen, daß Tokio und Moskau eine „grundsätzliche Reform“ ihrer Beziehungen herbeiführen wollen.

Kaifu bat den sowjetischen Präsidenten um eine „politische Entscheidung“ über den Verbleib der vier umstrittenen Kurileninseln im Norden Japans; Gorbatschow entgegnete, daß beide Länder „die wertvolle Gelegenheit zu einem großen Schritt nach vorn nicht versäumen sollten“. Für die Rückgabe der Inseln demonstrierten mehrere tausend Menschen im Zentrum Tokios. Der Streit um die 1945 von Stalin annektierte Inselgruppe gilt als größtes Hindernis für der Verbesserung der bilateralen Beziehungen.

Zauberformeln zur Lösung des Konflikts, wie die oft propagierte Rückgabe von nur zwei der Inseln, werden von den Gesprächen in Tokio nicht erwartet. Ein im voraus verfaßtes gemeinsames Schlußkommuniqué enthält allgemeine Erklärungen gegenseitiger Freundschaft und Kooperationsbereitschaft — auch von dem nach wie vor ausstehenden Friedensvertrag ist keine Rede.

Bisher färbt der Schatten zweier Kriege die meisten Ressentiments einfacher Japaner gegen den großen sowjetischen Nachbarn. Doch Gorbatschows symbolische Kranzniederlegung am Montag vor den Gräbern japanischer Soldaten im sibirischen Chabarowsk, seine heutige Rede vor dem Tokioter Parlament und sein Gang nach Nagasaki versprechen Heilung für die alten Wunden. Georg Blume