Wie aus einer Kartoffelkiste ein Prachtbau wurde

■ Rechnungshofbericht dokumentiert am Beispiel Kongreßzentrum, wie in Bremen öffentliche Bauten geplant werden

„Sie haben dem Senator für Wirtschaft und Außenhandel gegenüber Bedenken hinsichtlich der Kostenermittlung geäußert. Ich hoffe, Ihnen ist bewußt, daß jeder Zweifel an der Zuverlässigkeit meiner Kostenaussage das Projekt gefährden kann.“ Einen dicken Rüffel des Bauressorts fing sich 1986 der Geschäftsführer der Stadthalle ein. Der hatte es gewagt, Zweifel an den Kosten von 52,5 Millionen Mark zu äußern, die der Senat bis dato kalkuliert hatte. Der Kostenrahmen blieb unverändert, die SPD-Basis muckte nicht auf und so konnte das Projekt Kongreßzentrum so weit vorangetrieben werden, daß es dann im Januar 1990 keinen Weg zurück mehr gab. Damals waren die Kosten auf knapp 100 Millionen Mark gestiegen, eine Größenordnung, die bei realistischer Planung bereits 1986 erkannt worden wäre.

Wie ein Handbuch politischer Trickserei liest sich der Prüfungsbericht des Rechnungshofes, der fast ein Jahr Akten der Bau- und Wirtschaftsbehörde wälzte und danach zu dem vernichtenden Urteil kam: „Das Bestreben des Bauressorts war es, eine Diskussion über die Kostenaussage des Bauressorts mit dem Hinweis auf die daraus für die Durchführung der Baumaßnahme drohenden Gefahren zu unterdrücken. Durch diese Einstellung könnte der Blick für die Realitäten in einem Maße getrübt worden sein, daß die baufachlichen Regeln der Kostenermittlung und die Qualitätsstandards vernachlässigt wurden.“

Seinen Ausgang nahm das Planungschaos bereits im Jahr 1977. Damals untersuchten Gutachter die Marktchancen eines Tagungszentrums in Bremen und empfahlen, sich an einer Einrichtungen in Bielefeld, Braunschweig oder Wolfsburg zu orientieren. Es sei dabei mit direkten Kosten von 50 Millionen Mark zu rechnen. Acht Jahre später war es soweit. Der Senat beschloß den Bau eines Kongreßzentrums, legte aber keine Kostenberechnung vor, sondern kam ohne nähere Begründung zu der Annahme: Für 50 Millionen ist der Bau zu haben.

Zur Umsetzung wurde ein Architektenwettbewerb ausgelobt, in dem es hieß: „Die Qualität muß hervorragend sein!“ In der Empfehlung des Preisgerichtes hieß es dann: „Auf jeden Fall muß eine Lösung gefunden werden, die Bremen jetzt bauen, bezahlen und betreiben kann.“ Mit diesem Widerspruch zwischen hervorragender Qualität und billiger Lösung hatten in der Folgezeit alle Architekten zu kämpfen. Nach langem Gerangel um Raumgrößen und Ausstattungen und einer nochmaligen Versicherung des Bausenators, daß die Kosten nicht überschritten würden, kam im Mai 1987 ein Teil der Wahrheit heraus: Die Architekten legten einen handschriftlichen Entwurf einer Kostenberechnung vor, der mit 75,8 Millionen abschloß. Der Rüffel des Bausenators folgte auf dem Fuß: Die Maximal-Lösung war nicht Planungsauftrag, rügte er, obwohl die Architekten darauf hingewiesen hatten, daß lediglich der absolute Minimalstandard geplant worden sei. Dennoch rechneten die Architekten den Preis wieder auf die politisch gewünschte Summe herunter.

Zwischenzeitlich platzen die Absprachen mit der ursprünglich vorgesehenen Betreibergesellschaft Mövenpick. Das Wirtschaftsressort verhandelte im Oktober 1987 in Hannover unter Teilnahme des Bauressorts mit Maritim und ging trotz der Beschlüsse zu den Kosten auf die Bedingung ein, das gesamte Kongreßzentrum neu zu planen, und zwar größer als bislang vorgesehen. Die Architekten wiesen auf den Widerspruch hin, daß der Nutzer die Anforderungen hochschraube, das Bauressort von ihnen aber eine Raumreduzierung fordere. Kurz danach wurden sie gefeuert und mit einer knappen Million Mark abgefunden.

Erst im April 1989 rechnete das Hochbauamt erneut und kam auf Kosten von 63 Millionen Mark, ohne jede Baunebenkosten. Diese erste annähernd realistische Schätzung wurde dem Senat nicht vorgelegt. Ein halbes Jahr später hatten offensichtlich auch die Senatoren Kunick und Beckmeyer die Brisanz des Themas erkannt und stritten sich über die politische Verantwortung. Handschriftlich schrieb Kunick an seinen Kollegen, dem Wirtschaftsressort habe es klar sein müssen, daß für den ursprünglichen Preis nur ein „Schlichtbau“ zu haben gewesen sei. Der Wirtschaftssenator aber habe dennoch den Leistungsumfang erhöht. Konterte Beckmeyer: „Es ist von keiner Seite darauf hingewiesen worden, daß mit 55,4 Mio. nur eine Kartoffelkiste zu haben sei.“

Am 19.1.1990 stellten sich Beckmeyer, Kunick und Bürgermeister Klaus Wedemeier nach einer Senatssitzung für die Fotographen stolz vor ein Modell des Kongreßzentrums mit „hohem Standard“ und verkündeten den Preis: 99,1 Millionen. Holger Bruns-Kösters