Keine Einigung für Stasi-Akten-Gesetz

■ Moderate Bundestagsdebatte — aber keine Einigung/ Gauck dementiert ZDF-Bericht

Berlin (taz) — Ein Konsens zwischen allen Parteien für die anstehende gesetzliche Regelung über den weiteren Umgang mit den Stasi-Akten ist auch nach der gestrigen Debatte im Bundestag nicht in Sicht. Innenminister Schäuble (CDU) beteuerte zwar — wie die Vertreter von SPD und CDU —, einen parteiübergreifenden Beschluß herbeiführen zu wollen, in den Details gibt es aber erhebliche Differenzen. Hauptstreitpunkt ist immer noch, ob und wie weit die Nachrichtendienste Einsicht in die Hinterlassenschaften der früheren Stasi nehmen dürfen. Die innenpolitische Sprecherin von Bündnis 90/Grüne, Ingrid Köppe, erklärte, „die gewonnen Erkenntnisse aus der Bespitzelung gehören nur den Betroffenen und niemandem sonst“. Ihr CDU-Kollege Johannes Gerster räumte zwar auch ein, daß die Persönlichkeitsrechte der Opfer Vorrang haben müßten — gleichzeitig betonte er aber, die Sicherheitsbehörden dürften wegen eines „leichtfertigen Vorurteils“ nicht behindert werden. Das eigentliche Problem, das Innenminister Schäuble gestern als die „richtige Abwägung“ zwischen dem Schutz der Bespitzelten und der öffentlichen Aufarbeitung bezeichnete, wird heute auch Gegenstand einer weiteren Sitzung im Innenressort mit den VertreterInnen aller Parteien (mit Ausnahme der PDS). Der Präsident des Kölner Bundesamtes für Verfassungsschutz soll dafür eine Vorlage erarbeiten, in der die genauen Begehrlichkeiten seiner Behörde aufgelistet werden. Mitglieder der SPD haben inzwischen dem Bündnis 90/Grüne signalisiert, die Bürgerrechtler müßten sich in der Frage des Geheimdienstzugriffs „bewegen“. Die SPD sehe sich anderenfalls gezwungen, den bislang gemeinsam beschrittenen Weg zu verlassen.

Eine Einigung deutet sich dagegen bei den Akten der früheren Staatspartei SED, der ehemaligen Blockparteien und DDR-Massenorganisationen an. Nach dem Willen der Regierungskoalition sollen sie in die Verantwortung des Koblenzer Bundesarchivs übergehen. In der ersten Lesung zur Änderung des Archivgesetzes waren sich Vertreter der Union, der SPD und FDP einig, die Akten möglichst komplett in staatliche Hände zu überführen.

Der Sonderbeauftragte der Bundesregierung, Jochen Gauck, wies gestern den Bericht des ZDF-Magazins Studio 1 zurück, er habe in eigener Sache die Grundregeln im Umgang mit den Stasi-Akten gebrochen. Er habe — wie es das Magazin am Mittwoch abend berichtete — seine eigene Akte gesichtet, dies sei allerdings „völlig legal“ geschehen. Als Vorsitzender des Sonderausschusses der Volkskammer sei ihm dieses Recht, wie allen Mitgliedern des Gremiums, zugestanden. Anhand seiner Akte habe er lediglich versucht, die Funktion von Inoffiziellen Mitarbeitern (IMs) zu untersuchen. Studio 1 hatte den ehemaligen Rostocker Pfarrer sogar in die Nähe eines „Inoffiziellen Mitarbeiters“ gerückt, der als Organisator des Kirchentages 1988 um ein „störungsfreies Kirche-Staat-Verhältnis“ bemüht gewesen sein soll. Ähnliche IM-Gerüchte hatte auch die Regenbogen-Postille 'Super-Illu‘ veröffentlicht. Sie wurden zuletzt vom Bonner Innenministerium dementiert. Wolfgang Gast