Gorbatschow in Südkorea

Erster Besuch eines sowjetischen Staatspräsidenten auf der koreanischen Halbinsel/ Die Regierung in Seoul erhofft sich die Unterstützung der Sowjetunion in der Frage des Beitritts zur UNO  ■ Aus Seoul Peter Lessmann

Als die Aeroflot-Maschine mit Michael Gorbatschow an Bord am Freitag abend auf der südkoreanischen Insel Cheju landete, betrat zum erstenmal ein sowjetischer Präsident die koreanische Halbinsel. Dort, wo im Jahr 1653 holländische Schiffsbrüchige strandeten und den Westen mit dem „geschlossenen Königreich“ Ostasiens in Berührung brachten, kommen auch die sowjetisch-koreanischen Beziehungen in Schwung.

Auf dem Cheju-Gipfel, der bis zum Samstag dauern und das dritte Treffen zwischen Gorbartschow und Südkoreas Präsident Roh Tae Woo sein wird, wollen beide vor allem über ein Thema sprechen: Wie kann Frieden, Stabilität und Wiederannäherung zwischen dem kapitalistischen Süden und kommunistischen Norden Koreas erreicht werden?

Dabei erhofft sich Seoul von Gorbatschow vor allem Unterstützung in der strittigen Frage des Beitritts beider Koreas in die UN. Während Pjöngjang nur einen Sitz für Gesamtkorea will, plädiert Seoul für den gleichzeitigen Eintritt beider Teilstaaten. Selbst wenn Südkorea im Alleingang die Mitgliedschaft beantragen sollte, würde Moskau kein Veto im Sicherheitsrat einlegen, glauben Diplomaten und Experten.

Eine andere Frage ist die Öffnung der nordkoreanischen Atomanlagen für eine internationale Überprüfung. Südkorea und andere westliche Staaten fürchten, daß Nordkorea schon bald in der Lage sein werde, Kernwaffen zu bauen. Pjönjang hat zwar den Atomwaffensperrvertrag unterzeichnet, sich bislang jedoch geweigert, das Sicherheitsabkommen anzuerkennen. Das verlangt nun auch Moskau und droht, andernfalls Zulieferungen von nuklearem Brennstoff und anderen Materialien ganz einzustellen.

Hinter diesen Forderungen steht die sowjetische Idee zur Schaffung einer atomwaffenfreien Zone auf der koreanischen Halbinsel. In dem Fall müßten nämlich auch die im Süden stationierten Amerikaner ihre Kernwaffen abziehen. Mit einem solchen Vorschlag können sich aber weder Seoul noch Washington anfreunden. Nordkorea jedenfalls ist durch den Besuch weiter in die Enge getrieben worden. Der langjährige Verbündete Moskaus hatte die Reise des obersten Sowjets in den feindlichen Bruderstaat scharf verurteilt.

Und so wird Gorbatschow in Pjöngjang in amtlichen Verlautbarungen auch nicht mehr als „Genosse“ bezeichnet. Nordkoreas Zeitungen hüllen sich über den Besuch in tiefes Schweigen und berichten statt dessen über Forderungen in der UdSSR nach einem Rücktritt des Staatschefs. Freilich bleibt unerwähnt, daß es vielen Menschen dort um weit radikalere gesellschaftliche und wirtschaftliche Reformen geht, als es Gorbatschow lieb ist.

Proteste gegen den Besuch gibt es auch in Südkorea. Die Angehörigen der Opfer der von den Sowjets 1983 abgeschossenen Maschine der „Korean Air“ gingen am Freitag auf die Straße und forderten, Gorbatschow solle sich offiziell entschuldigen und eine Entschädigung zahlen.

Auch wenn es keine Gorbi- Euphorie gibt, „der Besuch wird von einer großen Mehrheit der Menschen in Südkorea begrüßt“, glaubt Soh Kyung Suk von der kritischen „Bürgerkoalition für ökonomische Gerechtigkeit“. Der politische Dialog mit der UdSSR werde dazu beitragen, dem Frieden auf der koreanischen Halbinsel ein Stück näher zu kommen. Und eine atomwaffenfreie Zone in Korea, sagt Soh, die muß endlich verwirklicht werden.