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Der Amtsschimmelreiter

■ „Magnus“ von Thrainn Bertelsson, Mittwoch, 20.15 Uhr, ARD

Die Aussichten eines Mannes, der erfährt, daß er Krebs und „gute Chancen“ hat, sind mitunter seltsam. Zumal wenn er Verwaltungsjurist in der Hauptstadt eines 240.000-Seelen-Inselstaates ist. Sich aber mit der elektrischen Seilwinde per Handsteuerung selbst aufzuknüpfen, ist schon eine seltsame Idee.

Mit abgeklärter Geduldigkeit läßt Magnus tagsüber den Amtsschimmel über seinen Schreibtisch galoppieren. Fischtrockner, Schäfer und Ponyzüchter, Reste der urbanen Struktur Reikjaviks, sollen dem postmodernen Renovierungswahn weichen. Nachts träumt er von einem wunderschönen Schimmel, den ihm der schwarzbrennende Schwiegervater versprochen hat. Bis seine kunstambitionierte Frau ihn jäh aus dem Schlaf zerrt, weil sie wieder einmal redet wie das Radio. Der absurde Figurenreigen, den Regisseur Bertelsson mit sicherer Hand beinahe im Stil einer Screwball-Commedy dirigiert, wird vom eulenspiegelhaften Schwiegersohn Jonas ergänzt, einem sich als Flugkapitän ausgebenden Taxifahrer.

Mit liebenswürdiger Unbekümmertheit springt der Film zwischen disparaten Handlungssträngen hin und her, zitiert unterschiedlichste Genremuster und kommt dabei doch (einigermaßen) auf den Punkt. Kafkaeske Dialoge zwischen Krebspatienten weichen träumerischen Landschaftsaufnahmen. Zu Hause probt der Sohn mit Freunden den abgefahrenen Island-Rap. Und zwischen all diesen schrägen Begebenheiten wandelt Magnus unbeteiligt wie ein Halmasteinchen auf dem Schachbrett.

Es ist die Eigenart des isländischen Films, keine zu haben. Bertelssons fröhlicher Zitatenmix beginnt als Karrikatur eines Sozialdramas, kratzt städtebauliche Konflikte einer sich wandelnden urbanen Struktur an, kolportiert schamlos Westernmotive und gibt sich mit Vangelis-artigem Synthesizer- Soundtrack zwischendrin immer wieder triefend melodramatisch.

Ein bisweilen vielleicht etwas überdrehter Film voll zarter Poesie, makaberem Witz und surrealen Possen. Die Dialoglastigkeit, ein Hauptproblem budgetbegrenzter TV-Filme, wird zum Vorteil gewendet. Obgleich nicht alles an diesem mit Verve geknüpften Flickenteppich gelungen ist, überzeugt doch die erfrischende Unbeschwertheit und die Beiläufigkeit, mit der seltsam schräge Absurditäten aufeinanderfolgen. Die Gags funktionieren, weil sie eben nicht nur Blödeleien sind. Was Bertelsson mit Bildern wie dem läutenden Funktelefon in der Satteltasche ebenso augenzwinkenrnd wie feinsinnig dokumentiert, ist das Abhandenkommen der eigenen kulturellen Identität im Zuge der Expansion neuer Technologien. Island wohin? Manfred Riepe

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