: Die „Fischköppe“ im Adlerhorst
■ Werder Bremen erzwang im DFB-Pokal-Halbfinale gegen Eintracht Frankfurt ein Wiederholungsspiel Eintracht im Pech: Eigentor von Gründel, Platzverweis für Yeboah und Fehlbuchung vom Präsidium
Franktfurt/Main (taz) — „Ich weiß net, was der gemacht hat — aber sowas derf mer in so einem wichtische Spiel net mache.“ In breitestem hessischen Slang äußerte sich der neue Trainer der Frankfurter Eintracht, „Drago“ Stepanowic, nach dem begeisternden Pokalfight im Waldstadion zum Platzverweis von Anthony Yeboah. Der Mann aus Ghana war in der 36. Minute von Schiedsrichter Weber in die Katakomben geschickt worden, weil er den Bremer Mirko Votava, fernab vom Spielgeschehen, umgenietet hatte — eine Schlüsselszene des Halbfinalspiels zwischen der Frankfurter Eintracht und Werder Bremen. Der Tätlichkeit von Yeboah war eine Kampfszene in Oliver Recks Strafraum vorangegangen, in deren Verlauf Yeboah zu Boden gegangen war. Rund 30.000 „Schiedsrichter“ forderten einen „Elfer“, doch Weber ließ die Pfeife stecken. Ob Yeboah bei seinem Revanchefoul verbal provoziert wurde, wußte auch Stepanovic auf der Pressekonferenz nicht zu sagen. Beim Abgang des schlaksigen Riesen hatte „Drago“ — den Zigarillo im Mund und die Hände in den Hosentaschen — an Yeboah vorbei Blickkontakt mit dem Orbit aufgenommen.
Daß die Eintracht mit nur neun Feldspielern die Bremer „Fischköppe“ (Frankfurter Fanchoral) an den Rand einer Niederlage drängte, spricht für ihre neue Moral. Dabei waren die Norddeutschen schon in der zweiten Minute mit 1:0 in Führung gegangen. Nach einem strammen Schuß von Rufer boxte Uli Stein den Ball exakt auf das spitze Knie von Heinz Gründel, der unhaltbar vollstreckte. Doch unbeeindruckt vom frühen Rückstand zog die Eintracht im Mittelfeld ein brillantes Kombinationsspiel auf. Dem vehementen Druck hielten die Bremer denn auch nicht lange stand. Der von Bein und Möller schwindelig gespielte Libero Rune Bratseth patzte — und innerhalb von zehn Minuten stand es 2:1.
Da rollte die „La-Ola-Welle“ durch das Waldstadion, und die Torschützen Michael Klein und Libero Manfred Binz wurden mit stehenden Ovationen gefeiert. Daß die Eintracht nach dem Abgang von Yeboah diesen Vorsprung nicht über die Zeit retten konnte, dürfen sich die Bremer nur bedingt auf die eigenen Fahnen schreiben. Auch die um eine Sturmspitze reduzierten Frankfurter versuchten noch zu zaubern, anstatt den Männern von Otto Rehhagel den Einzug ins Pokalfinale mit einem beinharten Fight zu vermasseln.
Mit Glück konnten die Bremer so in der 61. Minute den unverdienten Ausgleich erzielen. Ein Abpraller von Bode fand den Weg ins Tor von Uli Stein. Der „große Zampano“ in Stepanovics Orbit hatte kein Erbarmen mit den Mainischen, die an diesem Abend mit herrlichen Kombinationen und einem pfeilschnell in die Sitze vorstoßenden Möller dem Fußballgott huldigten. Zweimal hatte Möller den Siegtreffer auf dem Stiefel, und zweimal leistete der fahrig wirkende Werderaner Torwart Reck dem „großen Zampano“ Abbitte. „Wir fahren über Bremen nach Berlin!“ skandierten die bierseligen Fans der Eintracht auf dem Heimweg zufrieden mit den Leistungen ihrer Mannschaft. Schiedsricher Weber, der den Mainischen den an Yeboah verschuldeten Elfer versagt hatte, avancierte selbst bei den rechtslastigen Hooligans im Zug zum Buhmann des Tages: „Lieber en Schwarze, als en Schwarzkittel.“ Die Fans von „Toni“ Yeboah jedenfalls trommelten sich noch nach Spielschluß auf der Gegentribüne die Seele aus dem Leib. Eintracht-Präsident Ohms trommelte dagegen während der Pressekonferenz mit den Fingerkuppen auf dem Vorstandstisch. Die vorwitzige Eintracht hatte nämlich schon das Hotel in Berlin für das Endspiel gebucht. Und jetzt müssen die Eintrachtler noch einmal durch die „Hölle des Nordens“ gehen. „Drago“ Stepanowic jedenfalls hat keine Angst vor dem Wiederholungsspiel in Bremen: „Die Jungs haben gekämpft, wie die Löwen.“ Mit elf Spielern werde man die Norddeutschen auch im Weserstadion besiegen. Still in sich hinein grinste da Werder-Manager Willi Lembke. Sein Wunschergebnis sichert beiden Vereinen nochmals eine Millioneneinnahme. Der alte Fuchs hatte in Bremen schon am Tag vor dem Anpfiff im Waldstadion die Kartendruckmaschine für das Wiederholungsspiel anwerfen lassen. Klaus-Peter Klingelschmidt
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