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Eine Klausur gegen die Krise?

■ Die CDU kommt mit billigen Durchhalteparolen im Osten nicht mehr an

Eine Klausur gegen die Krise? Die CDU kommt mit billigen Durchhalteparolen im Osten nicht mehr an

Die Wende im Osten hat die politische Klasse in Deutschland besonders tief in eine Krise gestürzt. Jetzt hat diese — verspätet — auch die CDU erreicht. Zunächst blamierten sich diejenigen, die sich den historischen Tatsachen entgegenstellen wollten: die Grünen, die noch im Dezember 1989 die Zweistaatlichkeit zum Parteiprogramm beschlossen und die SPD, deren Kanzlerkandidat die Wirtschaftsunion noch vertagen wollte, als die Mauer schon weg war. Eine grundlegende Alternative zur Politik der Bundesregierung haben SPD oder Grüne heute nicht mehr.

Die Krise, über die die CDU jetzt zu reden beginnt, ist die der Sprachlosigkeit ihrer Repräsentanten. In der ehemaligen DDR kann nichts bleiben, wie es war. 17 Millionen Menschen, die sich im System der fürsorglichen Entmündigung eingerichtet hatten und von denen viele eigentlich nur Reisefreiheit und Westgeld wollten, müssen jetzt unvermittelt lernen, auch mit den Risiken der offenen Gesellschaft umzugehen. Der Übergang vom realen Sozialismus zum realen Kapitalismus ist eine notwendige Krise. Politik kann das nicht wegreden. Menschen, die sich in einem sozialen Umbruch schwer zurechtfinden, kann man aber nicht mehr einfach gut zureden: „Bleibt ruhig, in zwei Jahren kommt der Aufschwung schon!“ Der Bundesrepublik steht ein neuer Schub US-amerikanischer Modernisierung bevor, der mit europäischen, sozialpolitischen Traditionen vermittelt gehörte.

Das Gerede von der „Verjüngung“ der CDU mobilisiert vielleicht junge Postenjäger, geht aber an der Sache vorbei. Der klügste Beitrag für eine neue CDU kommt vom Senior Heiner Geißler. Schließlich fordert der Protestschrei in der DDR, die soziale Absicherung des realen Sozialismus doch bitte nicht gegen einen Wildwestkapitalismus einzutauschen, eine neue Politik. Kohl hat es dazu kommen lassen, daß in der ehemaligen DDR wie in alten Zeiten weitergedacht werden kann: „Bedienst du unsere Interessen, gebe ich dir meine Stimmen.“

Bleibt es dabei, daß die schärfste Waffe der CDU die Einberufung einer Klausurtagung ihres Bundesvorstandes ist, dann wird dabei nicht viel mehr herauskommen als bei dem Spiel: „Dreh Dich nicht um, der Plumpsack geht rum...“ Klaus Wolschner

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