Kurden diskutierten über Verhandlungen

■ Auf dem taz-Forum zum Thema Kurdistan ging es vor allem um die Gespräche zwischen Kurden und Hussein

Berlin-Mitte. Es war ein Kuß, der weltweit Irritationen auslöste. Das Treffen des kurdischen Politikers Jalal Talabani mit dem Erzfeind Saddam Hussein samt abschließender Umarmung ließ viele, die sich mit der kurdischen Befreiungsbewegung solidarisiert hatten, letzte Woche am Bildschirm zusammenzucken und über die Tiefen arabischer und kurdischer Seelen räsonnieren. Wie umstritten die Verhandlungen kurdischer Politiker mit dem Regime in Bagdad auch unter den Berliner Kurden sind, zeigte sich Dienstag abend auf einem Diskussionsforum unter dem Motto »Was tun für Kurdistan?«. Eingeladen hatten die taz, die 'andere‘ und das Bündnis 2000 — unter den über 100 ZuhörerInnen waren vor allem Kurden und irakische Oppositionelle.

In einer für die Brisanz des Themas überraschend ruhigen und fairen Gesprächsatmosphäre verteidigte Fausi Atroshi, als Vertreter der Kurdistan-Front auf das Podium geladen, die Gespräche in Bagdad. Den kurdischen Verhandlern naives Vertrauen in Zusagen Saddam Husseins zu unterstellen, wies Atroshi verhement zurück. Aufgrund der »Doppelmoral der Alliierten« sei man letztlich gezwungen gewesen, Gespräche aufzunehmen — vor allem mit dem einen Ziel: »Wir wollen unsere Leute wieder in das Land zurückholen.« Widerspruch aus dem Publikum wurde eher mit Besorgnis, denn mit Empörung geäußert. Er hoffe, die Kurden würden nicht wieder einer Illusion aufsitzen, erwiderte Khadim Habib, Exiliraker, führendes Mitglied der irakischen Kommunisten, und fragte, ob nicht vor allem Saddam von den Bagdader Verhandlungen profitiere. Man werde auf internationale Garantien für die von Saddam angebotene Autonomie bestehen, betonte Atroshi.

Die Medico-Mitarbeiterin Lissy Schmidt, noch bis vor wenigen Tagen vor Ort, berichtete von aktuellen Kämpfen zwischen Kurden und irakischem Militär zum Beispiel um die Stadt Suleymania und schilderte eindringlich die katastrophale Situation in den befreiten Gebieten. »Da ist bislang kein einziges Paket Milchpulver angekommen — von medizinischer Versorgung ganz zu schweigen.« Doch statt die Situation der Kurden als vornehmlich humanitäres Problem zu betrachten, plädierte sie dafür, den politischen Forderungen der Kurden auch in Deutschland Nachdruck zu verleihen. Humanitär ganz groß, politisch ganz klein — so faßte denn auch Gerd Poppe, Bundestagsabgeordneter für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen die aktuelle Politik der Bundesregierung zusammen. Der Ostberliner Abgeordnete plädierte für den Schutz einer autonomen kurdischen Region durch UNO- Truppen, »aber zusammengesetzt aus Soldaten kleiner, blockfreier Staaten.«

Von und über die Friedensbewegung war bei diesem Forum wenig zu hören und zu sehen, weshalb ihr Schweigen zum Thema Kurden nur kurz und knapp kommentiert wurde. Neben einer »großen Resignation nach Ende des Golfkriegs«, konstatierte Bernd Albani, Pfarrer der Ostberliner Gethsemansekirche, auch fehlende Betroffenheit. Von der Umweltkatastrophe und dem Szenario eines dritten Weltkrieges fühle man sich auch in Wilmersdorf und Pankow persönlich bedroht — vom Flüchtlingselend der Kurden nicht. taz

Die Ärztekammer Berlin und der Verein »Behandlungszentrum für Folteropfer« bitten weiterhin um Spenden auf das Konto 4090 der Berliner Sparkasse. Kennwort: »Berliner helfen Kurden«.