: »Mehr leisten, Gürtel enger schnallen«
■ Diepgens Bilanz: Koalition leistet sachliche Aufbauarbeit/ Bezirksreform in dieser Legislaturperiode
Rathaus Schöneberg. Zum ersten Mal hat sich gestern auch der Regierende Bürgermeister Eberhard Diepgen (CDU) für eine Bezirksreform noch in dieser Legislaturperiode ausgesprochen, bei der auch die Zahl der Bezirke überprüft werden müsse. Diepgen forderte eine solche Reform anläßlich seiner Bilanz der ersten 100 Tage Großer Koalition, die den krönenden Abschluß der Bilanzen aller Fraktionen bildete. Wie kaum anders zu erwarten, fiel seine Bilanz deutlich positiver aus als die von SPD- Fraktionschef Staffelt am Vortag. Der Regierende wollte sich auch nicht der allgemeinen Verwaltungskritik anschließen, die die Fraktionsvorsitzenden von CDU und SPD, Landowsky und Staffelt, in den letzten Tagen geübt hatten. Diepgen bewertete die Arbeit der Koalition als »ausgesprochen gut« und würdigte den »Teamgeist« zwischen den Partnern CDU und SPD. Sie leisteten »sachliche und nüchterne Aufbauarbeit«. »Auf Aktionismis und parteipolitische Profilierung haben wir bewußt verzichtet«, konterte Diepgen Vorwürfe, der Senat komme zu langsam in Schwung. Es sei gelungen, den sozialen Frieden zu wahren und eine weitere Polarisierung zu verhinden. Trotz der großen Probleme Berlins sehe er eine positive Perspektive.
Diepgen benannte auch die Schwerpunkte der Arbeit für die nächste Zeit: Vordinglich müsse die Finanzsituation geklärt und die Wirtschaftskraft gestärkt werden. Eine Erhöhung der Gewerbesteuer ab 1992, wie sie die SPD fordert, lehnte Diepgen erneut ab. Auch bei einer Verbesserung der Einnahmen könne die Stadt in diesem Jahrzehnt nicht gänzlich auf die Bundeshilfe zum Berliner Haushalt verzichten.
»Die Hausaufgaben der Einheit« müssen nach Ansicht Diepgens zügig erledigt werden. Dazu gehört die Verbesserung der Infrastruktur, der Zusammenschluß der Eigenbetriebe und die Neuplanung des Potsdamer Platze sowie des Areals um den Bahnhof Zoo. Diepgen warnte vor übertriebenen Erwartungen an den Staat: Nach 100 Tagen Inventur habe man in vollem Ausmaß erkannt, wie schwierig die Situation nach der Einheit sei. Er forderte die Berliner auf, ihren Beitrag zum Aufbau zu leisten: »Mehr leisten, Ärmel hochkrempeln, Gürtel enger schnallen« lautet die Devise der zweiten Wiederaufbauzeit. In zwei bis drei Jahren will der Regierungschef die versprochene Angleichung der Lebensverhältnisse geschafft haben. »Berlin muß wieder zu einem organischen Ganzen zusammengefügt werden«.
Auch Diepgens Vorgänger Walter Momper bewertete gestern die ersten 100 Tage als »insgesamt befriedigend«. Im Senat gibt es nach Mompers Einschätzung »Licht und Schatten«. Als lichtes Beispiel nannte er Arbeitssenatorin Christine Bergmann, auf der Schattenseite Verkehrssenator Haase. kd
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