Vom Fahrradweg zum Feuchtbiotop

■ Ein kleiner Überblick über die verschiedenen Initiativen, die sich seit dem Fall der Mauer über die Zukunft des ehemaligen Todesstreifens Gedanken machen

Auf 166 Kilometern verlief die Mauer rund um den Westteil Berlins, davon auf 46 Kilometern zwischen den beiden Stadthälften, durchtrennte dabei 193 Haupt- und Nebenstraßen. Die meisten Straßen wurden inzwischen wieder zusammengefügt, doch noch liegt der ehemalige Todesstreifen brach. Seit dem Fall der Mauer haben sich eine Vielzahl von Bürgerinitiativen Gedanken um die weitere Verwendung des funktionslos gewordenen Geländes gemacht — die Ideen reichen vom durchgehenden Park über Fahrradweg bis hin zum Feuchtbiotop. Die taz gibt einen kleinen Überblick.

Schon kurz nach dem Fall der Mauer tauchten die ersten Zukunftsvisionen für das funktionslos gewordene Gelände auf: Ein Park quer durch die ehemals geteilte Stadt solle entstehen, Kirschbaumalleen und Lavendelfelder blühen, von Rudow bis Frohnau. Eine Initiative um die Ostberliner Architektin und Bildhauerin Franziska Lobeck und den Künstler Manfred Butzmann schlug vor, die Mauer als Schutz für ein entstehendes Biotop und als historisches Mahnmal wie Symbol für einen kommerzfreien Raum stehenzulassen. Vorbild für den Grüngürtel durch die Stadt solle auch die Lennésche Planung aus dem Jahre 1840 sein, die einen — allerdings nie verwirklichten — breiten Grünstreifen durch ganz Berlin vorsah, der sich vor allem entlang der Gewässer ziehen sollte. Im Frühjahr 1990 griffen dann BürgerInnen zur Schaufel und machten mit Baumpflanzaktionen und Lupinenaussaat auf ihr Projekt aufmerksam. Am 16. Januar dieses Jahres trugen verschiedene KünstlerInnen und Umweltgruppen, die sich im Netzwerk »Grüne Liga« zusammengeschlossen hatten, ihre Ideen auf fünfzig Tafeln in einer Ausstellung vor. Der Künstler Manfred Butzmann schlug vor, in vier Reihen Eichen oder Linden für eine »Friedensallee am Tiergarten« zu pflanzen, die sich auf alte Pläne Lennés beruft. Der Verein »Perspektive Berlin« forderte ein Denkmal für die ermordeten Juden Europas neben der ehemaligen Reichskanzlei. Ob sich diese Ideen gegen den enormen Investitionsdruck durchsetzen können, der auf dem historischen Innenstadtgelände zwischen Brandenburger Tor und Potsdamer Platz liegt, ist allerdings recht fraglich.

Verschiedene Initiativen kämpfen seit März letzten Jahres für einen Mauerpark mit Kinderbauernhof auf der Schneise zwischen den dichtbesiedelten Bezirken Prenzlauer Berg und Wedding, auf dem Gelände des ehemaligen Eberswalder Güterbahnhofs. Ihre Initiative scheint zur Zeit die meisten Aussichten auf Erfolg zu haben. Zwischen den Bezirken Mitte und Kreuzberg will der Bürgerverein Luisenstadt eine alte Grünanlage wiederherstellen: den Luisenstädtischen Kanal, vom allgegenwärtigen Peter Lenné um 1850 als grüne Lunge zwischen Spree und Landwehrkanal errichtet und durch die Mauer zerschnitten. Auch ihre Ideen könnten recht bald Wirklichkeit werden. Die Gesellschaft für behutsame Stadterneuerung S.T.E.R.N wird am 8.Mai eine Ausstellung in der Heinrich-Heine-Bibliothek in Mitte zum Thema alter Kiez Luisenstadt eröffnen.

Das Konzept des Bundes für Umwelt und Naturschutz berührt eine Grundsatzentscheidung: Grüngürtelkonzept versus Achsenmodell. Während der BUND vorschlägt, den Grünstreifen zwischen Berlin und Brandenburg als äußerste Bebauungsgrenze nicht zu überschreiten, sieht das Achsenmodell eine sternförmige Stadtentwicklung entlang der S-Bahn-Verbindungen bis ins Berliner Umland hinein vor. Eine Fotoausstellung zum Thema ist noch bis 17. Mai zu sehen. kap