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Mercedes-Teststrecke im Moor

Gerhard Schröder und Mercedes-Vorstand: Teststrecke kommt ins Moor bei Papenburg/ Landeskabinett erfüllt alle Bedingungen der Grünen/ Sondermüllverbrennung doch nicht ins Emsland  ■ Aus Hannover Jürgen Voges

Dauertests von Mercedes-Lastern, -Karossen oder Sportwagen soll das Projekt ermöglichen, doch Niedersachsens Ministerpräsident Gerhard Schröder und Mercedes-Benz-Vorstandsmitglied Heiner Tropitzsch führten unisono nur das Wort „Ökologie“ im Mund, als sie gestern in Hannover gemeinsam die Entscheidung für den Bau einer „Prüfstrecke der Mercedes-Benz AG“ bei Papenburg im Emsland bekanntgaben. Das rot-grüne Landeskabinett hatte zuvor einstimmig beschlossen, das mit dem Regierungswechsel in Niedersachsen unterbrochene Raumordnungsverfahren für die Teststrecke „wiederaufzunehmen“. Heiner Tropitzsch hatte die Entscheidung des Mercedes-Vorstandes bereits im Gepäck: den Verantwortlichen an dem zur Alternative stehenden untersuchten Standort Nambsheim im Elsaß habe Mercedes bereits abgesagt, sagte der Automobilmanager.

Insgesamt 1.277 Hektar will Mercedes im emsländischen Moor vom Land und zum kleineren Teil auch von der Stadt Papenburg für die Teststrecke erwerben. Überbaut werden sollen davon 130 Hektar, was einer Größe von 200 Fubballfeldern entspricht. Allein 12,8 Kilometer lang soll das äußere das Gelände umschließende Betonoval werden. Nach zwei Jahren der Planungen und Genehmigungen und drei Jahren Bauzeit sollen 300 Millionen im größtenteils abgetorften Moor investiert, nach weiteren fünf Jahren der Endstand von 300 Arbeitsplätzen erreicht sein. Schröder betonte gestern, daß die Teststrecke von Niedersachsen nicht subventioniert werde, Mercedes auch keine Subventionen verlangt habe. Von der Umweltbilanz her legitimiert sich für Schröder das „Projekt aus sich selbst heraus“. In der Projektbewertung des Umweltministeriums heißt es allerdings, daß durch die Teststrecke nicht nur Flächen versiegelt, sondern auch Grünlandbiotope mittleren bis hohen Wertes beseitigt bzw. beeinträchtigt, für Moorrenaturierung vorgesehene Flächen verlorengehen würden. Fest zugesagt hat Daimler-Benz bisher, zum Ausgleich dieser Beeinträchtigungen 480 Hektar Moor oder Grünland innerhalb und um das Testgelände zu renaturieren. Als Ersatz für endgültig verlorene Flächen muß der Konzern außerdem an anderer Stelle noch weitere 400 Hektar Moorfläche kaufen und wieder in den natürlichen Zustand versetzen. Lediglich beabsichtigt wird vom Land und von Mercedes, für die Bauarbeiten Sand vom bei Emden geplanten Hafenbau zu verwenden, die „Flächenversiegelung durch Entsiegelung andernorts zu kompensieren“. Mercedes-Vorstand Tropitzsch sagte allerdings, man habe in ökologischer Hinsicht „keine besondere Verbeugung vor Niedersachsen gemacht“.

Das rot-grüne Landeskabinett hat sich darüber hinaus noch darauf geeinigt, „im Raum Papenburg-Oldenburg ein Moorschutzgebietssystem“ zu entwickeln und umzusetzen. In dieses System sollen auch die 400 Hektar einbezogen werden, die Daimler noch aufzukaufen hat. Aus dem Erlös des Verkaufs der Flächen an Mercedes soll ein Pilotprojekt für den öffentlichen Personennahverkehr im Nordwesten Niedersachsens finanziert werden, bei dem Schröder am liebsten mit Daimler kooperieren möchte. Als Bonbon für die eigene Basis konnten die Grünen dann noch die Zusicherung des Kabinetts holen, daß die Festlegung auf das emsländische Dörpen als Standort für eine Sondermüllverbrennungsanlage zurückgenommen wird.

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