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Grüne schlucken Teststrecken-Kröte

Landesparteitag der niedersächsischen Grünen in Papenburg/ Nach Prostesten gegen die Mercedes-Teststrecke wieder Harmonie/ Trennung von Parteiämtern und Mandaten bleibt  ■ Aus Papenburg Jürgen Voges

Die Mercedes-Teststrecke, für deren Bau das rot-grüne Landeskabinett fünf Tage zuvor die Weichen gestellt hatte, stand am Samstag beim niedersächsischen Parteitag der Grünen in Papenburg ganz oben auf der Tagesordnung.

An den Wänden hingen Plakate gegen die Strecke und veraltete Stellungnahmen grüner LandespolitikerInnen, die sich einst vehement gegen das Großprojekt ausgesprochen hatten. Der Papenburger Kreisvorsitzende verweigerte seinen grünen ParteifreundInnen gar die Begrüßung, und die örtlichen Grünen und Vertreter der Naturschutzverbände machten ihrer Empörung mit einer Demonstration im Saale Luft. Doch schon zwei Stunden später hatte der Landesverband der niedersächsischen Grünen die gewohnte Eintracht wiedergefunden: Nur zehn der 125 Delegierten stimmten für einen Antrag des Kreisverbandes, der wegen der Entscheidung für die Teststrecke die Koalition der Grünen mit der SPD für gescheitert erklären wollte. Mit deutlicher Mehrheit wurde statt dessen ein Antrag des Landesvorstandes beschlossen, der kritisierte, „daß es Fraktion und grünen Regierungsmitgliedern nicht gelungen war, gegen die SPD das Ende der Teststreckenplanungen durchzusetzen“.

Vor der Abstimmung hatten sich Landesvorstand, grüne Landtagsfraktion und natürlich auch die beiden grünen MinisterInnen Waltraut Schoppe und Jürgen Trittin unisono für die Kabinettsentscheidung stark gemacht. Wie etwa Landesvorstandssprecher Kurt Dockhorn bekundete die Parteispitzen Verständnis für „die Wut und Enttäuschung“ der Basis. Mit der Niederlage in Sachen Teststrecke seien die Grünen von der SPD in die Grenzen der 5,5-Prozent-Partei verwiesen wordem, sagte die Abgeordnete Marion Schole für die Landtagsfraktion. Am Ende wurde der Teststreckenantrag des Landesvorstandes nur noch mit einigen kritischen Zusätze angereichert. So bemängelte die Landesdelegiertenkonferenz mit deutlicher Mehrheit, daß „die Kabinettsentscheidung für die Teststrecke so kurz vor der Entscheidung der grünen Basis“, vor dem Parteitag getroffen wurde. Schließlich stellten die Delegierten noch fest, daß die Einleitung des Raumordnungsverfahrens für die Strecke „mit dem Wortlaut des Koalitionsvetrages mit der SPD nicht im Einklang steht“, zogen daraus aber keinerlei Konsequenzen. Der grüne Bunderatsminister Trittin nannte diese Abstimmung anschließend „einen untauglichen Versuch, durch nachträgliche semantische Übungen das schlechte rot-grüne Verhandlungsergebnis zur Teststrecke zu verbessern“. Mit der Formulierung, Niedersachsen wolle „die Teststrecke nicht fördern“, schließe die Koalitionsvereinbarung nur eine finanzielle Förderung des Projektes aus und ein solche finde auch nicht statt, sagte der grüne Minister. Die Führung des grünen Landesverbandes konnte sich in Papenburg auch mit ihren Vorschlägen zur „politischen Strukturreform“ weitgehend durchsetzen. Per Satzungsänderung wurde analog zum „Länderrat“ der Bundespartei ein „Ständiger Ausschuß der Kreisverbände“ institutionalisiert, der nun das „höchste beschlußfassende Organ zwischen den Landesversammlungen“ ist. Der Landesvorstand wird zukünftig nur noch zwei SprecherInnen haben, die allerdings ab Januar nächsten Jahres als hauptliche FuntionärInnen bei der Partei in Lohn und Brot stehen werden.

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