: Testwahlkampf im Deichverband
■ CDU bläst zum Kampf gegen rot-grüne Naturschutzliste / Kein Streit um die Sache
Knapp vier Monate bevor 420.000 BremerInnen zur Bürgerschaftswahl am 29. September an die Urnen gerufen werden, dürfen gut 100.000 Bremer HausbesitzerInnen schon mal probeweise abstimmen: Am 1. Juni können sie über die Zusammensetzung der Deichämter bestimmen. Zur Wahl stehen sich links der Weser SPD-Genossen und Mitglieder der CDU- und FDP- orientierten „Bürgergruppe für Deichsicherheit“ gegenüber.
In dem anderen Verband „Rechts der Weser“ will die rot- grüne Naturschutzliste mit Deichhauptmann Gerold Janssen an der Spitze ihre Mehrheit gegen die Opposition um den 1987 abgewählten ehemaligen Deichgrafen und Hollerland-Bauern Hinrich Klüver verteidigen. Für diesen Gegenangriff hat die CDU jetzt Bürgerschaftsprominenz aufgeboten: Neben der Frauenpolitikerin Roswitha Erlenwein kandidiert auch der umweltpolitische Sprecher der CDU-Fraktion, Günter Niederbremer, um einen Platz im Deichamt.
Einen inhaltlichen Streit um Aufgaben und Arbeitsweise der beiden Deichämter gibt es derweil nicht. Einstimmig hatten sie kurz nach dem Wahlerfolg der „Naturschutzliste“ vor vier Jahren als erste deutsche Deichverbände auch den Naturschutz zum Verbandsziel erhoben. An den Deichen rechts der Weser wurde daraufhin konsequent auf alle chemischen Spritzmittel verzichtet, ein bereits geplanter Deich, der einen Teil des Borgfelder Wümme-Überschwemmungsgebietes trockengelegt hätte, wurde zum Schutz des ökologisch wichtigen Feuchtbiotops an anderer Stelle gebaut. Nach langem Streit mit den Bauern verständigte man sich auf einen deutlich höheren Wasserpegel im Hollerland.
Auf dem rechten Weserufer hatte der konservative Deichhauptmann Tölke Borchers „auch dazugelernt“, wie er selbst heute sagt. Auch er läßt keine Chemie mehr spritzen und hat Gefallen an der „Renaturierung von Ufern“ gefunden.
Obwohl sich bei den praktischen Problemen des Deichamtes fast immer ein breiter Kompromiß fand, sieht der abgewählte Deichhauptmann Klüver „die Fronten keineswegs aufgelöst“. Und auch der CDU-Politiker Niederbremer hat zwar „nichts gegen die Arbeit des Deichamtes“ unter Gerold Janssen, will jetzt aber trotzdem die „Kraftprobe“ mit der Naturschutzliste suchen. „Der Deichverband kann kein Ersatz-Umweltressort sein“, sagt Niederbremer und appelliert damit an die empfindlichste Stelle der wahlberechtigten Hausbesitzer: das Giro-Konto. Denn die Beträge, die davon jährlich als Zwangsbeiträge für den Deichverband abgebucht werden, dürften nicht für Umweltschutz, sondern lediglich für Deiche, Siele, Schöpfwerke und Schleusen verwandt werden, meint der CDU- Politiker. „Umweltschutz ist zwar wünschenswert, muß aber aus öffentlichen Mitteln finanziert werden, denn schließlich dient er auch nicht nur Hausbesitzern, sondern der Allgemeinheit“, fordert Niederbremer.
Dem hält Deichgraf Janssen das neue Wasserwirtschaftsgesetz entgegen, in dem ausdrücklich Naturschutzmaßnahmen von den Deichverbänden verlangt werden. Mit offensiver Öffentlichkeitsarbeit, zu der auch das Buch und die Ausstellung „900 Jahre nasse Füße“ zum 50. Deichverbands-Jubiläum im vergangenen Jahr gehörten, wollte die rot- grüne Deichverbandsmehrheit rechts der Weser dafür werben, daß heute im Deichbau nicht die Fehler wiederholt werden, die seit dem Beginn des Deichbaus an der Wümme vor 500 Jahren begangen wurden. Weil damals das Hollerland einfach trockengelegt wurde, bietet es der Landwirtschaft heute statt wogender Weizenfelder nur noch saure Wiesen für die Milchwirtschaft.
„Der Teufel liegt oft im Detail“ begründet Deichamts-Parlamentarier und BUND-Geschäftsführer Joachim Seitz, warum er nichts vom Parteien-Kampf um die Deichamtswahl hält. Doch die CDU will mit einer Hauswurfsendung und einem Rundbrief an alle Parteimitglieder zur Wahl ihrer Kandidaten ins Deichamt mobilisieren.
Dirk Asendorpf
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