Ein »Virus« — jetzt mit Vereinsstatut

■ In Berlin wurde jetzt der erste Graffiti-Verein Deutschlands gegründet/ »Berlin-Graffiti-Association« will Sprayer aus der Illegalität herausführen/ Fahrgäste werden bereits militant

Berlin. »Graffiti ist wie ein Virus, das fängst du dir irgendwann ein, und dann hörst du nicht mehr auf.« Als ein Freund von Markus (16) vor zwei Jahren anfing, mit einem Edding eine Parkbank zu bemalen, hat es auch ihn erwischt. Seitdem malt oder sprüht er überall, »wo eine glatte Wand ist und wo man es gut sieht.« Selbst etwas zu machen, ist ihm lieber als herumzuhängen, »man kann total abschalten dabei«. Diese Haltung teilen in Berlin noch schätzungsweise 5.000 bis 6.000 Jugendliche. Zu dieser »Familie« gehören Schüler wie Lehrlinge. Mädchen, räumt Markus ein, seien allerdings stark unterrepräsentiert, obwohl sie durchaus »gute pieces machen«, wie der junge Sprayer findet.

Doch die Zeiten sind den SprüherInnen nicht hold. Seit die Mauer offen und immer weiter im Schwinden begriffen ist, sind die legalen Sprühplätze rar geworden. Auftragsarbeiten wie Garagen, Spielplätze und Jugendfreizeitheime sind selten. Werden S- und U-Bahnen verziert, drohen Anzeigen und Bußgelder bis zu 3.000 Mark, denn »für uns ist das Sachbeschädigung«, meint BVG- Sprecher Wolfgang Göbel. Für die regelmäßige Beseitigung dieser »Schmierereien« gibt die BVG jedes Jahr Millionen aus. Auch die Fahrgäste werden immer militanter: Erst kürzlich wurde Markus mit zwei Freunden, in der S-Bahn unterwegs nach Wannsee, von einem älteren Mann auf die Wache geschleppt, weil sie Eddings in der Jackentasche trugen.

Seit April haben sich jetzt SprüherInnen zur »Berlin-Graffiti-Association e.V.« (BGA) zusammengeschlossen. »Wir haben es auf die Dauer satt, ständig jemanden im Rücken zu haben und nur unter Nervenstreß zu malen«, begründet Michael Völzke, Mitinitiator und Vorsitzender der BGA. Auch sollten lieber mehr Angebote geschaffen werden, um Jugendliche von der Straße zu holen, anstatt sie zu kriminalisieren. Es gehe auch nicht an, Graffiti weiter nur als Spinnerei einiger Jugendlicher zu disqualifizieren. Für ihn ist Graffiti eine sehr dynamische Kunstart, deren beste Stücke durchaus ins Museum gehören.

Der Verein will den Jugendlichen Möglichkeiten anbieten, sich künstlerisch weiterzubilden und Kontakte untereinander zu knüpfen. Er will Anlaufstelle sein für jugendliche Sprayer, die mit dem Gesetz in Konflikt geraten sind, und rechtliche Beratung leisten. Auch wollen sie sich für die Schaffung legaler Sprühplätze einsetzen und eventuele Aufträge vermitteln. In einem Laden sollen Material und Geräte bereit gestellt und Workshops angeboten werden. »Auch der Austausch zwischen Sprühern ist sehr wichtig«, meint Völzke. Im Moment sind sie noch damit beschäftigt, Geld zusammenzubekommen. In Planung ist außerdem ein großes Graffiti-Meeting im August mit einem Wettbewerb, Hearing und einer Modenschau.

»Diesen Versuch sollte man sicherlich unterstützen«, findet auch Wolfgang Göbel. Im Einzelfall könne er sich auch die Bereitstellung einer Bahnhofswand für einen solchen Verein vorstellen. Das Hauptanliegen der BVG in den Bahnhöfen bleibe jedoch die Fahrgastinformation. Corinna Raupach