: Das Leid der KurdInnen
■ Betr.: "Aus kurdischen Kämpfern wurden Händler", taz vom 13.5.91
betr.: „Aus kurdischen Kämpfern wurden Händler“, taz vom 13.5.91
[...] Die Darstellung des angeblich ruhigen Lebens dieser Kurden, scheinbar ohne viel Gedanken an Rückkehr und scheinbar ohne große politische Motivation, ist falsch.
Richtig ist, daß diejenigen Flüchtlinge von damals, die in einem Lager bei Diyarbarkir leben, dieses Lager auch verlassen können, um zum Beispiel nach Diyarbakir zu gehen und dort eventuell auch Handel zu betreiben. Diese Möglichkeiten konnten sich aber erst durch die Solidarität und Hilfe der kurdischen Bevölkerung von Diyarbarkir entwickeln.
Um diese eine Tatsache entwickelt die Autorin einen Artikel mit viel Belanglosigkeiten, Hypothesen und teilweise falschen Schlußfolgerungen und Informationen. So wird Unverständnis darüber deutlich, daß diese Kurden sich nicht stärker engagieren, so zum Beispiel zurückkehren und kämpfen. Verschwiegen wird die Tatsache, daß diese Flüchtlinge seitens der türkischen Behörden durch unzumutbare Auflagen, an der Rückkehr gehindert werden.
Außerdem hat die Autorin die Lebensbedingungen im Lager („mit Stacheldraht eingezäuntes Areal“) nicht in den Bericht mit einbezogen. [...] Es hätte wenigstens Erwähnung finden können, daß seitens des türkischen Militärs niemandem der Zugang zum Lager erlaubt wird, weder Journalisten, Vertretern von Hilfsorganisationen noch Privatpersonen. So leben zum Beispiel in diesem Lager noch immer mehrere Familien zusammen in einer Wohnung, so daß oft nicht mal ein Zimmer pro Familie zur Verfügung steht.
Besonders unverständlich und verzerrend ist die Ignoranz der Tatsache, daß ein Großteil der Flüchtlinge von damals nach wie vor, seit drei Jahren also, in Lagern bei Mus und Mardin leben, in die ebenfalls keine Außenstehenden Zugang haben, in denen die Versorgungslage katastrophal ist, die Flüchtlinge so gut wie keine Möglichkeit zum Verlassen der Lager haben, die medzinische Versorungslage miserabel ist und die Flüchtlinge keine Möglichkeit zur Arbeitsaufnahme haben. [...] Uta Keßler, (West-)Berlin
[...] 1.Für diesen Bericht wurde ein unverantwortlicher, provokativer, sowie falscher Titel gewählt.
2.„Handel in Diyarbarkir ist besser als Peschmerga-leben“: Niemand kann erlauben, daß ein solcher sinnloser, anmassender Untertitel ausgesucht wurde. Um einen solchen Vorwurf zu erheben, hätte Frau Bauer zumindest für ein paar Tage vor Ort das Leben der Peschmergas kennenlernen müssen.
3.In Frau Bauers Darstellung (identisch mit der Meinung der türkischen und irakischen Machthaber) werden den geflohenen KurdInnen Motive von „Wirtschaftsflüchtlingen“; die politisch nicht verfolgt werden, sondern nur Geld verdienen und ein bequemes Leben führen wollen, unterstellt. Sie geht mit keinem Wort auf die katastrophale politische Lage und deren Konsequenz, dem Völkermord an den KurdInnen, ein.
4.Sie beschränkt sich auf Nebensächlichkeiten und verschweigt (absichtlich?) die menschenunwürdigen Verhältnisse in den sogenannten Flüchtlingslagern. Laut amnesty international und medico international wurden/werden die kurdischen Flüchtlinge wie Kriegsgefangene von dem türkischen Militär behandelt.
5.Frau Bauer hat auf eine „touristische Weise“ ein paar kurdische Flüchtlinge, die ausnahmsweise in Diyarbarkir arbeiten dürfen, interviewt und deren Aussagen auf 27.000 kurdische Flüchtlinge generalisiert.
6.Der Lebensstandard in Kurdistan- Türkei ist durch eine gezielte Politik der KurdInnendiskriminierung von dem türkischen Regime, der niedrigste in der Türkei. Sie leben von der Hand in den Mund. Hier taucht die Frage auf, wie diese „kurdischen Großkapitalisten“ in Diyarbarkir Kredite an die „ehemaligen Peschmergas und jetzigen Händler“ gewährleisten können?
7.Frau Bauers Darstellung des kurdischen Problems und der Misere ist unangemessen, weil sie die alte und neue Flüchtlingswelle gegeneinander auszuspielen versucht. Frau Bauer will nicht den Glauben und die Überzeugung der kurdischen Flüchtlinge ernst nehmen; dies drückt sich in dem ironischen Unterton bei der Schilderung der Sympathie für den kurdischen Politiker Barzani aus. [...] Dana Mahmood, Göttingen
Wenn die Journalistin nur einen Monat, nicht drei Jahre wie die Flüchtlinge, ohne Tätigkeit die gleiche Ration Essen (ich meine nur das „normale“ Essen, das vergiftete Wasser und Essen ausgenommen), das diese Flüchtlinge jeden Tag bekommen haben, hätte essen müssen, sie hätte versucht, die Weltöffentlichkeit einzuschalten, weil man in diesem Jahrhundert solche Lebensumstände nicht dulden kann! Kachichom Muhyaddin,
(West-)Berlin
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