piwik no script img

14 Spitzel in Regierung

■ Tschechoslowakisches Parlament beschließt Bodenreform

Berlin (taz) — Ein Untersuchungsausschuß des tschechoslowakischen Parlaments hat 14 Minister und Ministerstellvertreter als Spitzel des früheren kommunistischen Geheimdienstes STB enttarnt. Da diese bis zur heutigen Parlamentsdebatte über den Bericht der Kommission die Möglichkeit haben, ohne Information der Öffentlichkeit zurückzutreten, wurden bisher keine Namen bekannt. Ministerpräsident Marian Calfa ist das Ergebnis der Durchforstung bereits seit dem 30.April bekannt. Die dritte Überprüfung der Parlamentsabgeordneten und Regierungsmitglieder war nach dem Auffinden neuer Akten im April dieses Jahres notwendig geworden.

Nach monatelangem Tauziehen verabschiedete die tschechoslowakische Föderalversammlung am späten Dienstag abend das „Gesetz über den Boden“. Mit einer deutlichen Mehrheit von 184:38 sprachen sich die Abgeordneten dafür aus, daß das nach dem 25.2.1948 konfiszierte Land „bis zu einer Größe von 150ha an Privatpersonen“ zurückgegeben werden soll. Von der Regelung ausgeschlossen bleiben somit nicht nur die sudetendeutschen Wald- und Bodenbesitzer, die bereits 1945/46 die Tschechoslowakei verlassen mußten, sondern auch die katholische Kirche. Über die Rückgabe des Kirchenvermögens soll ein eigenes Gesetz formuliert werden.

Noch vor sechs Wochen war das Bodengesetz im Parlament gescheitert. Damals hatte eine Koalition aus Liberalen und Kommunisten gegen die Vorlage der Regierung Calfa gestimmt. Während die KPCS eine Rückgabe des Grundbesitzes am liebsten völlig verhindert hätte, gingen den Fetischisten des „freien Marktes“ die Bestimmungen nicht weit genug. Die Erfüllung ihrer Forderungen hätte eine Auflösung der Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften bedeutet, dieses wollte die Regierung verhindern. Ihr Hauptargument: Die Unsicherheit unter der Landbevölkerung würde weiter wachsen, die Verzögerungen bei Aussaat und Ernte zunehmen, im Herbst drohe ein Versorgungsnotstand. Um das Gesetz verabschieden zu können, einigten sich die Vertreter der verschiedenen Strömungen darauf, die Frage der Transformation der Genossenschaften mit einem eigenen Gesetz zu regeln.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen