Verfassungsschutz weiß mal wieder von nichts

■ Verfassungsschutz-Skandal: Innensenator Heckelmann ist von Intrigen des Landesamtes gegen den rot-grünen Senat nichts bekannt

Berlin. In einer butterweichen Presseerklärung hat Innensenator Dieter Heckelmann (CDU-nah) gestern dementiert, daß das Berliner Landesamt für Verfassungsschutz (LfV) im Besitz von Stasi-Abhörprotokollen über zwielichtige Machenschaften des LfV ist. Gleichzeitig schloß der Stasi-Sonderbeauftragte Joachim Gauck nicht aus, daß sich die Protokolle »unter den Akten« in seiner Behörde befinden könnten.

Daß die Stasi Telefonmitschnitte von Gesprächen zwischen dem Kölner und Berliner Verfassungsschutzamt protokollierte — in denen gegen den rot-grünen Senat intrigiert wurde —, steht nach Informationen der taz fest. Einer der Drahtzieher soll der VS-Beamte Reimar Osswald gewesen sein, den Heckelmann jetzt zum Vizechef des Verfassungsschutzes küren will. Als Spiritus rector der geplanten Personalroche beim LfV gilt der stellvertretende CDU-Fraktionsvorsitzende Wienhold. Ausgerechnet er soll den Vorsitz im Verfassungsschutzausschuß übernehmen, der sich am kommenden Donnerstag endlich konstituiert.

Unter Berufung auf den Leiter des LfV, Heinz Annußek, erklärte Heckelmann wörtlich: »Der Amtsleiter des LfV hat ausdrücklich erklärt, daß in seinem Amt keine Erkenntnisse darüber vorliegen, daß es Kontakte zwischen dem LfV und dem BfV (Kölner Bundesamt für Verfassungsschutz, d. Red.) dahingehend gegeben habe, daß das Berliner Amt von den Informationsträgern anderer Verfassungsschutzbehörden in Hinblick auf die damalige Berliner Regierungskoalition (gemeint ist der rot-grüne Senat, d. Red) abgeschnitten werden sollte.« Heckelmann suchte Glauben zu machen, daß es »nur vage und substanzlose Vermutungen« ehemaliger Stasi-Mitarbeiter gebe, die sich auf »kritische Behauptungen« von LfV-Beamten zum rot-grünen Senat bezögen.

Mit dem Hinweis, daß er dem LfV eine entsprechende Weisung erteilt habe, kündigte der Innensenator gestern eine »rückhaltlose« Aufklärung der Vorwürfe an. Dem LfV »übermittelte Hinweise«, so Heckelmann, ließen jedoch vermuten, daß sich die Protokolle aus Abhöraktionen der Stasi bei der Behörde des Stasi-Sonderbeauftragten Gauck befänden. Gauck selbst hatte dazu gegenüber der taz bereits am Mittwoch erklärt, ihm sei von derartigen Protokollen nichts bekannt. Er halte es aber für denkbar, daß solche Protokolle »noch in den Akten« seiner Behörde verborgen seien.

SPD und Bündnis 90/Grüne wiederholten gestern ihre Forderung nach schonungsloser Aufklärung. Eine behördeninterne Untersuchung reiche nicht aus, hieß es. Wolfgang Wieland (B90/Grüne) forderte zudem die sofortige Einsetzung einer unabhängigen Arbeitsgruppe, die den Sachverhalt für den Verfassungsschutzausschuß »voraufklären« müsse. plu

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