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Standbild: Die Schweißfüße von Joschka

■ Stern-TV, Mittwoch 22.10 Uhr, RTL-Plus

Was das Interieur angeht, ist Stern-TV unschlagbar. Ob es Bühnenbild-Studenten im ersten Semester sind, die die Ausstattung zusammenbasteln, oder man vom alten DDR-Fernsehen irgendwelche Kulissen und Möbel übernommen hat? Angesichts der merkwürdigen Sperrholz-Dekoration, dieses Mal von lachsrosa-hellgrünem Licht angestrahlt, wirkt jedes Gelsenkirchener-Barock-Möbel unter der ganz normalen Stehlampe jedenfalls wie Mailänder Top-Design.

Daß die Themen ähnlich zusammengestoppelt sind wie die Ausstattung, ahnte wohl auch Günther Jauch, der zu Beginn aufzählte, was alles zu einer guten Sendung gehört: Fußball (den gab es vorher), Tiere (er kraulte einen Schäferhund), Volksmusik (neben ihm eine Puppe von Carolin Reiber) und ein prominenter Gesprächspartner (Umweltminister Joschka Fischer): „Sie werden sich fragen, ob das alles zusammenpaßt, lassen Sie sich überraschen.“ Es paßte nicht.

Der Start, eine verkrampften Satire auf die bavarische Matrone und Volksmusi-Moderatorin Carolin Reiber, ging ebenso daneben wie der Schluß, als vor Jauchs Verabschiedung schon der Abspann losflimmerte. Dazischen ging es, neben den schon erwähnten Themen, noch um Lebenslängliche und Todeskandidaten im berüchtigten Sowjet-Knast Vladimir und um den Zusammenbruch der Banca Ambrosiano, deren 1,3 Milliarden Dollar Schulden in dunkle Kanäle der Vatikan-Bank I.O.R. versackt sein sollen.

Ein uralter Fall, der durch die Dokumente, die die Verstrickung des Vatikans (und damit des Papstes) beweisen, nicht brisanter wurde: Daß der päpstliche Bankchef Kardinal Marcinkus ein schlimmer Finger ist, kann nun wahrlich nicht als Neuigkeit gelten.

Das Gespräch mit dem Studiogast wird von diesem Potpurri aus tödlichem Knast und himmlischer Geldgier immer wieder unterbrochen — fast ist man schon dankbar, daß wenigstens die 10 „heißen“ Fragen an Joschka Fischer am Stück gestellt werden. Einmal darf er das „Ja“ oder „Nein“ verweigern, zweimal tut er's: ob es mit den Grünen zu Ende ist, wenn sie in den nächsten Bundestag nicht reinkommen, und ob er aus Eifersucht am liebsten mal jemanden totgeschlagen hätte — diese Fragen bleiben unbeantwortet.

Ansonsten erfahren wird, daß Fischer morgens die taz vor der 'Bild‘ liest (Guten Morgen!), daß er eine Koaliton mit der CDU für alle Zukunft ausschließt und auch nicht zur SPD gehen würde, wenn's bei den Grünen mal nicht mehr weitergeht. Ein ehemaliger Genosse erzählt, daß Joschka bei der Straßenkampf-Simulation im Stadtwald seinerzeit immer am liebsten den Bullen spielte und draufschlug.

Dann der Special-Gag: Ein Polizei-Hund soll aus einem Haufen Turnschuhe diejenigen erschnüffeln, die Joschka bei der ersten Vereidigung vor fünf Jahren zum letzten Mal trug. Und tatsächlich: Er schnüffelt sie heraus. „Haben sie Schweißfüße?“ fragt Günther Jauch — „Jetzt werden sie aber mal nicht indiskret“, versetzt der Minister, nimmt selbst eine Nase aus seinem mittlerweile im Schuh-Museum stehenden Nike-Stiefel und argwöhnt: „Da haben Sie sicher Chappi reingetan.“ Mathias Bröckers

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