: Rechtsradikale überfielen Homo-Fest
■ Mehrere Verletzte bei einer Attacke von rund 70 Rechtsradikalen auf das Frühlingsfest in Mahlsdorf/ Bislang keine Festnahmen
Mahlsdorf. Ein Frühlingsfest von Lesben und Schwulen im Stadtteil Mahlsdorf ist in der Nacht zum Sonntag überfallen worden. Das brutale Vorgehen der nach Polizeiangaben etwa 70 Rechtsradikalen, die mit Gaspistolen, Feuerwerkskörpern, Eisenstangen und Holzknüppeln bewaffnet waren, forderte mehrere Verletzte. Zwei Frauen wurden durch Gaspistolen am Auge verletzt.
Das Anrücken der — nach Angaben von Augenzeugen noch sehr jungen — Randalierer war den etwa 500 Gästen des »Gründerzeitmuseums Mahlsdorf« im Bezirk Hellersdorf von Anwohnern kurz vorher signalisiert worden. Daraufhin hätten zahlreiche Besucher das Gelände verlassen, Polizei und Feuerwehr seien alarmiert worden, berichtete Museumsmitarbeiterin Beate Jung am Sonntag mittag. Einer der Rechtsradikalen habe mit vorgehaltener Pistole eine Gruppe von etwa 80 Gästen in Schach gehalten.
Im Museum gingen Fensterscheiben zu Bruch, mehrere der noch 100 anwesenden Besucher wurden tätlich angegriffen. Auch Autos wurden demoliert. Als gegen 23.30 Uhr die Polizei eintraf, flüchteten die Rechtsradikalen zu Fuß, mit Motorrädern und Autos. Man habe die Nummern von sechs Autos festgehalten, sagte Beate Jung. Später seien aus Berlin Leute des »Schwulen Überfalltelefons« und des Linkentreffs »Mehringhof« zum Schutz der Gäste eingetroffen. Der Gründer des Museums, der 63jährige Lothar Berfelde alias Charlotte von Mahlsdorf, der als berühmteste Tunte der DDR gilt, fühlte sich »an die Nazi-Zeit« erinnert (siehe Interview).
Bei dem Überfall auf die vom Berliner »Sonntagsclub« organisierten Benefiz-Party rund um das »Gründerzeitmuseum« wurden auch 1.000 Tonnen Altpapier in einer benachbarten ehemalige SERO-Annahmestelle in Brand gesetzt. Die Feuerwehr versuchte bis in die Morgenstunden, die Flammen unter Kontrolle zu bringen. Nach Angaben der Polizei hat es bislang keine Festnahmen gegeben. Die Fraktion Bündnis 90/Grüne im Abgeordnetenhaus hat den Überfall als »feigen Überraschungsangriff« verurteilt. Sie verwies darauf, daß sich auch in den schwulen Kneipen Berlins »Pöbeleien gegen Schwule« mehrten. Da sich vor allem Jugendliche an Angriffen beteiligten, wäre eine umfassendere Aufklärung an den Schulen geboten. Die AG Lesben- und Schwulenpolitik der PDS wertete den Vorfall als ein »weiteres Glied in der Kette gewaltvoller Übergriffe auf sogenannte Randgruppen«. Diese würden »mehr und mehr zum Blitzableiter sozialer und politischer Spannungen«. Bereits am 20. April vergangenen Jahres hatte es einen ähnlich schweren Überfall auf den Schwulentreff »Mocca-Bar« am Alex gegeben. kotte/adn
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