: RAF nahm hohe Verluste im Golfkrieg in Kauf
Wegen drohender Haushaltskürzungen wurden unnötige Einsätze geflogen ■ Von Ralf Sotscheck
Die britische Royal Air Force (RAF) ist im Golfkrieg verheizt worden, um den politischen Kampf gegen die Kürzungen des Verteidigungshaushalts zu gewinnen. Das behaupteten in der vergangenen Woche zahlreiche Militärexperten und RAF-Piloten. Großbritannien hat im Golfkrieg zehn Prozent der eingesetzten Kampfflugzeuge eingebüßt — mehr als alle anderen Kriegsteilnehmer auf alliierter Seite. Im Vergleich dazu verlor die US-Air-Force nur eins von 28 Flugzeugen.
Die britischen Verluste bestanden ausschließlich aus Tornado-Bombern vom Typ GR-1. Diese Flugzeuge waren für die Bombardierung der irakischen Start- und Landebahnen mit JP-233-Bomben verantwortlich, die nur im extremen Tiefflug abgeworfen werden können. Ein US-amerikanischer Militärsprecher bezeichnete diese Waffe zwar als „äußerst wirksam, aber selbstmörderisch“. Deshalb benutzten die USA die französische Durandal- Bombe, die aus größerer Höhe abgeworfen wird. Die RAF nahm dagegen eine höhere Verlustrate in Kauf.
Als die JP-233-Angriffe nach der ersten Kriegswoche eingestellt wurden, weil sie laut offizieller Begründung „ihre Aufgabe erfüllt“ hatten, stellte sich die Frage, was mit den Tornados für den Rest des Krieges geschehen sollte. „Sie fühlten sich unter Belagerung“, sagte Alan Bloomgarden, Verteidigungsexperte von der Universität Bradford. „Die Politik verlangte es, daß sie ihre militärische Bedeutung unter Beweis stellten. Deshalb mußten sie weiterfliegen.“ Aufgrund der Veränderungen in Osteuropa plante die britische Regierung nämlich drastische Kürzungen des Rüstungsetats. Dieser Sparwelle sollten auch drei Tornado- Schwadronen zum Opfer fallen. Der RAF kam es daher darauf an, die Bedeutung der Tornados im Golfkrieg zu demonstrieren.
Darüber hinaus schickten viele Rüstungsfirmen neue Waffen und Geräte, die nicht getestet werden konnten, an den Golf, weil das ihre Verkaufschancen nach dem Krieg erhöhen sollte. Die meisten Tornado-Piloten flogen während des Golfkriegs zum ersten Mal mit dem Laser-Zielgerät TIALD, das von der britischen Firma Ferranti erst kurz zuvor entwickelt worden war. Zahlreiche RAF-Soldaten klagten, daß ein ähnliches Gerät bereits seit fünf Jahren im Ausland erhältlich war, die RAF jedoch auf einem britischen Produkt bestanden hatte. Die risikofreudigen Einsätze haben der RAF nichts genützt — die britische Regierung hat ihre Entscheidung, drei Tornado-Schwadronen abzuschaffen, nicht revidiert.
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