„Fischer will keine Fischer-Partei“

Hessische Grüne beschließen halbherzige Strukturreform/ Fischer in der Partei ohne Gegengewicht/ Nach dem Auszug der Radikalökologen fehlt die gewohnte Lebendigkeit der politischen Diskussion  ■ Von Klaus-Peter Klingelschmitt

Frankfurt (taz) — „Fischer will keine Fischer-Partei!“ Das jedenfalls erklärte der amtierende hessische Minister für Umwelt und Energie und für Bundesangelegenheiten, Joschka Fischer, auf dem Landesparteitag der hessischen Grünen am Wochenende im Frankfurter Stadtteil Bergen-Enkheim. Auf der ersten Landesversammlung nach dem angekündigten, aber bislang nicht vollzogenen Austritt der sogenannten Radikalökologen aus der Partei stand die verschleppte Strukturdebatte auf der Tagesordnung — und die bislang die hessischen Grünen auszeichnende Lebendigkeit in der politischen Auseinandersetzung zur Disposition. Daß Joschka Fischer seine Vorstellungen von der allgemein als notwendig erkannten Strukturreform nur gegen minimalste Widerstände durchzusetzen brauchte, war selbst den treuesten Anhängern des „spiritus rector“ der Grünen peinlich. An der Kaffeebar der Stadthalle wurden Befürchtungen laut, daß die Partei in Hessen — „wenn wir nicht aufpassen“ — in eine ähnliche Sackgassensituation hineindrifte, wie die CSU unter Franz-Josef Strauß: „Joschka — geh voran!“

Daß ausgerechnet Joschka Fischer diesen prognostizierten Zustand von der „One-Man-Band“- Partei problematisierte, und in seinen Redebeiträgen in der Strukturdebatte einen konsensfähigen, und nicht auf seine Person zugeschnittenen Vorschlag zur Professionalisierung des Landesvorstandes und zur Aufhebung der Trennung von Amt und Mandat befürwortete, werteten seine Kritiker aus der Landtagsfraktion als „scheinheiligen Akt“. Ein Doppelminister und stellvertretender Ministerpräsident Joschka Fischer als Kandidat für den Parteivorsitz, so Irene Soltwedel (MdL), wäre selbst bei den realpolitischen Grünen in Hessen „wahrscheinlich nicht mehrheitsfähig“ gewesen. So wurde bei der Schlußabstimmung über die Strukturreform eine von Fischer und seiner „männerbündischen Seilschaft“, so ein Basismann aus dem Kreisverband Groß-Gerau, favorisierte semi-professionelle Lösung bevorzugt. Mehr als die satzungsgemäß erforderlichen zwei Drittel der anwesenden 220 Grünen kippten den alten § 9 aus der Landessatzung, in der die Trennung von Amt und Mandat festgeschrieben war, um anschließend die Trennung in abgeschwächter Form wieder einzuführen. „Anständig bezahlt“ werden sollen demnächst — mit Haushaltsvorbehalt — die beiden SprecherInnen des Landesvorstandes, denn die beiden höchsten Parteiämter dürfen auch zukünftig nicht von Menschen besetzt werden, die Abgeordnete oder Regierungsmitglieder auf der Europa-, Bundes- oder Landesebene sind. Das gilt auch für den zukünftigen „politischen Geschäftsführer“ der Partei, nicht aber für die BeisitzerInnen, von denen zwei von der Landtagsfraktion kommen sollen.

Damit, so Irene Soltwedel, sei der entscheidende Schritt hin zu einer Parteisprecherin „nicht gemacht“ worden: „Der Machtzentrale Fischer hätte ein eigenständiger, dialogfähiger Partner aus der Partei gegenübergestellt werden müssen. Daß jetzt zwei BeisitzerInnen aus der Fraktion kommen, wird die Partei nicht stärken, sondern sie an die Beschlüsse der Regierung binden.“

Als sich am Sonnabend ausgerechnet der Landtagsabgeordnete Karl Kerschgens — Börners Lieblingsgrüner — mit der rot-grünen Landesregierung anlegte, weil im Nachtragshaushalt und im bereits vorstrukturierten Haushalt 92 die sozial- und die baupolitische Komponente überwiege und der Natur- und Umweltschutz dagegen abgewertet worden sei, kam ausgerechnet von einem Fraktionskollegen verbales Sperrfeuer: Kerschgens sei „sauer“, weil er nicht Vorsitzender der Landtagsfraktion geworden sei. Die Koalitionsvereinbarung habe aber auch er mitunterschrieben.