: Nato auf der Suche nach neuem Konzept
■ Nato-Verteidigungsminister in Brüssel/ Streit zwischen Bonn und London um Eingreiftruppe
Brüssel (taz) — Beratungen über die künftige Nato-Strategie, neue Streitkräftestrukturen, die Bildung einer „schnellen Eingreiftruppe“ sowie die Rolle der Atomwaffen stehen auf der Tagesordnung der Verteidigungsminister der westlichen Militärallianz heute und morgen in Brüssel. Am 6. und 7. Juni werden die Außenminister der Mitgliedsstaaten über diese Themen in Kopenhagen beraten. Beschlüsse sind von beiden Tagungen jedoch nicht zu erwarten. Denn immer noch gibt es wenig konkrete und zum Teil kontroverse Vorstellungen über die neue Rolle der Nato nach den politischen Veränderungen in Europa. Der ursprünglich vor dem Sommer vorgesehene Nato- Gipfel, auf dem ein neues Konzept verabschiedet werden sollte, wurde denn auch bereits auf November verschoben. Während die politischen Defizite in den bisherigen Entwürfen für ein neues Strategiepapier lediglich rhetorisch mehr oder weniger geschickt verdeckt werden, sind die Überlegungen der Miliärs weiter gediehen. Die künftige Streitkräftestruktur sieht — zumal nach dem Abzug von zwei Dritteln der derzeit noch 300.000 US-GIs aus Westeuropa — hochmobile, multinationale Einheiten vor. Als Antwort auf die von der Nato neu ausgemachten Bedrohungen sind die „schnellen Eingreifverbände“ künftig das wichtigste Streitkräfteelement der Nato. Bezüglich ihres Einsatzgebietes ist bislang offiziell nur vom Nato-Vertragsgebiet und seinen Grenzregionen die Rede. Vor allem Amerikaner und Briten drängen auf eine erweiterte Definition der Einsatzaufgaben. Widerspruch kommt vor allem aus Bonn. Auf der Tagesordnung des Treffens in Brüssel dürfte auch der Streit zwischen Großbritannien und der Bundesrepublik über Struktur der mobilen Eingreiftruppe und das Oberkommando stehen. London erhebt Anspruch, was jedoch auf erheblichen Protest der Bundeswehr stößt.
Konsens besteht über die Beibehaltung einer atomaren Abschreckungspolitik, auch wenn diese künftig einen anderen Namen erhalten soll. Die bodengestützten Atomwaffen kürzerer Reichweite sollen in den nächsten Jahren aus Westeuropa ganz verschwinden. Dafür ist jedoch die Aufrüstung mit neuen luftgestützten Abstandsraketen und Fallbomben sowie mit neuen Atomwaffen auf Schiffen und U-Booten in westeuropäischen Gewässern geplant. Sie sollen auch weiterhin die Sowjetunion erreichen können, die als „größtes Sicherheitsrisiko in Europa“ unter Nato-Zielplanung bleibt. Andreas Zumach
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