Spektakel unterm Vollmond

■ Künstler installierten ihre Objekte entlang der Reichsbahnlinie 814

Rosenwinkel. Der Wald leuchtete voller nächtlicher Feuerzeichen. Hätte er gebrannt, alle hätten geglaubt, dies gehöre zur Performance. Eine weißgewandete Fee schob einen Puppenwagen über staubige Wege, Feuertänzerinnen schlugen Räder zwischen den Bäumen und blaugesichtige Medizinmänner dumpfe Trommelrhythmen. In der Vollmondnacht von Dienstag auf Mittwoch bekamen die Dinge einen neuen Sinn. Getreu dem Beuys'schen Leitsatz „Jeder Mensch ist Künstler“, feierten fast 400 Menschen das Abschlußspektakel des Projekts Nebenstrecke. „Objekte setzen Zeichen in die Landschaft“ — unter diesem Thema stellte Nebenstrecke entlang der Reichsbahnlinie 814, Kilometer 19,5 und 23,4, acht Flächen — brachliegende märkische Äcker — zur Verfügung, auf denen Einzelkämpfer und Gruppen zwei Wochen lang ihre Werke schaffen konnten. Der Acker als Leinwand, der drillende Traktor als Pinsel und Pflanzen als Farbe... Die Landschaft, mehr als nur Hintergrund für die entstandenen Objekte, bildete die Grundlage der Ideenfindung. Ein überdimensionaler knallgelber Holzhase, eine filigrane Stahlfrau, gepunktete Riesenhände stehen jetzt an den Bahngleisen und kreuzen so zwangsläufig die Sehachsen der Reisenden. Die Betrachtung ist an die Bewegung des Zuges gebunden, wenngleich die Standdauer der Objekte bis zu fünf Jahren auch ausreichend Gelegenheit zur Auseinandersetzung aus anderer Perspektive bietet. Der Zug fährt in festen Gleisen zu festen Zeiten. Genauso eingefahren scheinen den VeranstalterInnen die heutigen Sehweisen auf Kunst. Der geschlossene Kreis von Kunstproduktion, selektiver Ausstellung, Archivierung bis zum günstigsten Verkaufstermin interessiert sie nicht. Als im Sommer 1987 auf dem Gehöft Ausbau 5 in Rosenwinkel, einer 150-Seelen-Gemeinde hundert Kilometer nordwestlich von Berlin, eine Handvoll „Täter“ ein Fest inszenierte (anläßlich der Sommersonnenwende), war dies der Beginn einer Reihe von Veranstaltungen. Diente in jenem Sommer noch der grasige Innenhof als Tanzboden, locken heute eine Galerie, eine Bühne, Ateliers und Werkstätten und die Bar genußsüchtige Menschen unter die ehemaligen Stall- und Scheunendächer. Ziel der „Aktivisten“ ist es, „Spaß und Sport mit Ausstellungen und Aktionen in eigener Regie zu verknüpfen und so abseits der Großstadt Kommunikationsmöglichkeiten zu schaffen“. Ein Ort, welcher der ansässigen Bevölkerung ebenso wie Zugereisten zur Verfügung steht, wobei eigene Aktivität bloßem Konsumieren anrückender Großstadtfrustrierter gegenübergestellt ist. Anne Strandt

Gruppen, die an Projekten konzentriert arbeiten wollen, können den Veranstaltungsraum (120 qm Fläche) mieten, 30 qm Dachzimmer mit 8 Schlafplätzen vorhanden. Mietwünsche und Infos bitte schriftlich an Kerstin Kressner, W.-Pieck-Str. 224, O-Berlin 1040.