: Verkehrswegeplanungsbeschleunigung
Beschleuniger aus Bonn streut Optimismus in Sachsen/ Eine Finanzspritze kann weitere Beschleuniger in den Büros etablieren/ Saniertes Schienennetz und neue Straßen für den Aufschwung im Osten ■ Aus Dresden Detlef Krell
Symbolträchtig ging Bundesverkehrsminister Krause in Dresden aufs Wasser. Während das Motorschiff auf der Elbe zum Blauen Wunder tuckerte, klärte er die Journalisten über die Vorzüge seines „Verkehrswegeplanungsbeschleunigungsgesetzes“ auf.
Er finde beim Ausbau des ostdeutschen Verkehrsnetzes die Straße „deutlich benachteiligt“, denn „die Priorität“ liege bei den „umweltfreundlichen Verkehrsträgern“. Die Modernisierung des Schienennetzes und der Anlagen der Deutschen Reichsbahn koste „einen Großteil der Investitionen des Verkehrsprojekts Deutsche Einheit“. Auch der öffentliche Nahverkehr gehöre „aufgestockt“. Über die „richtigen Verkehrsträger“ müßten aber die Kommunen befinden. Das beschleunigte Planungsverfahren setze „die vollständige Umweltverträglichkeitsprüfung“ voraus, und die vom Verkehrsbau betroffenen BürgerInnen „können in jeder Weise unterstützend oder hemmend auf die Planung einwirken“. Krause verteidigte seine Plan-Eile gegen Vorwürfe, daß dabei die Demokratie auf der Strecke bleibe. „Es geht hier um eine Beschleunigung bürokratischer Vorgänge und nicht etwa gegen den Bürgerwillen.“ In hohem Maße ungerecht sei es doch, wenn die Betroffenen mit den bisher üblichen Verfahren „20 Jahre hingehalten“ werden. Wer in der EG wettbewerbsfähig bleiben wolle, dürfe in der Planung nicht den letzten Platz belegen.
Günther Krause hatte auf seiner Reise nach Sachsen eine Gabe aus Bonn mitgebracht, „fünf bis sechs Milliarden“ Finanzspritze für die Auftragsverwaltung im Wirtschaftsministerium. Mit diesem Geld können weitere „Beschleuniger“ in den Büros eingestellt werden, denn, wie der Minister mahnte, „aus Stellenknappheit würde sonst bald eine Investitionsknappheit“. Damit für den Aufschwung alle Räder rollen, will Krause sich in Bonn sogar dafür verwenden, „die Reibung zwischen Ländern und Bund zu vermindern“. Der Spendierhosen noch nicht genug, ermunterte er Sachsens Landräte, für kommunalen Straßenbau „großzügig“ den Verkehrshaushalt zu überziehen und sich, wenn's denn sein muß, den Nachschlag beim Land zu holen. Das Geld zu besorgen wäre „kein Problem“. Schließlich rät Krause auch noch dem Bund, sich an beiden sächsischen Flughäfen zu beteiligen. Deren Ausbau müßte in Bonn zur „Chefsache“ erklärt werden. Im Elbe-Kahn sitzend, stellte der Bundesverkehrsminister für den Oberlauf des Flusses ein Ausbaukonzept in Aussicht. Neue Staustufen sollen die durchschnittliche Tauchtiefe um 50 Zentimeter erweitern.
Für den umstrittenen Autobahnbau von Dresden nach Prag, nach bisher vorliegenden Informationen sollte ein Teil der Autobahn durch Randlagen des Elbsandsteingebirges führen, stehen jetzt „mehrere Varianten“ zur Auswahl des Wirtschaftsministeriums in Sachsen. Auf die Frage von Peter Hildebrandt von der Schutzgemeinschaft Sächsische Schweiz nach einem Verkehrskonzept für das obere Elbtal versicherte Minister Schommer, „daran wird schon gearbeitet“. Um die 30.000 Fahrzeuge täglich sieht Krause aus dem Norden Europas kommend bald durch das Sachsenland rollen. Kein Zweifel für ihn, Autobahnen müssen her, aber auch EG-weit ein „harmonisiertes Verkehrskonzept“. Bis 1995 bereits, wie Staatsminister Schommer bestätigte, soll die Autobahn Dresden-Görlitz durchgängig befahrbar sein.
Sachsens Ministerpräsident Biedenkopf unterstützt Krauses Beschleunigungsgesetz als einen „Schritt in die richtige Richtung“. Alle Belange, „insbesondere auch die des Umweltschutzes“, könnten „sachgerecht abgewogen und berücksichtigt“ werden. Anderer Meinung ist die Grüne Liga. In einem offenen Brief an den Bundesverkehrsminister fordert sie eine ökologisch orientierte, „zusammenhängende Betrachtung, Bewertung, Planung von Schienen-, Straßen-, Wasser- und Luftwegen“ auf internationalem Niveau. Fragwürdig sei die Begründung für das Beschleunigungsgesetz. „Auf umfangreiche Zersiedlung, den hohen Grad der Flächenversiegelung“ wie in den alten Bundesländern „können wir gut verzichten.“ Instandsetzung und „maßvoller Ausbau“ des Verkehrsnetzes sei die wesentliche Aufgabe in den nächsten Jahren. Einverstanden ist die Grüne Liga mit einer Verkürzug der Bearbeitungszeit bei den Behörden. Jedoch lehnt sie die „Reduzierung des Rechtsweges auf das Bundesverwaltungsgericht“ ab [Verkehrswege statt Rechtswege, meint Krause; säzzer]. Statt dessen sollten anerkannte Naturschutzverbände, Initiativen und Betroffene „frühzeitig einbezogen“ werden.
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