piwik no script img

Französischer TGV fährt dem deutschen ICE davon

Siemens bei Auftrag für den ersten Super-Schnellzug in den USA geschlagen  ■ Aus Washington Rolf Paasch

Texas, so der Sänger Jimmie Rogers in den 30er Jahren „is just waiting for a train“. Doch der Superschnellzug, der 1998 in den Bahnhöfen von Houston, Dallas und San Antonio einlaufen soll, hat mit der rauchenden Country & Western-Romantik vergangener Tage nichts mehr gemeinsam. Denn die texanische Eisenbahnbehörde hat am Dienstag den Auftrag für den ersten Hochgeschwindigkeitszug in den USA an das amerikanisch-französische Konsortium der Morrison Knudsen Group mit ihrem TGV vergeben. Die rivalisierende Gruppe „FasTrac“ unter maßgeblicher Beteiligung von Siemens blieb mit ihrem ICE auf dem Abstellgleis stehen.

Der Plan für das erste Schnellzug- Netzwerk auf dem amerikanischen Festland sieht vor, das Städtedreieck Houston-Dallas-San Antonio, in dessen Einzugsbereich zwei Drittel der texanischen Bevölkerung lebt, mit 600 Meilen Hochgeschwindigkeitstrasse zu verbinden und die Reisezeit von jeweils rund fünf auf eineinhalb Stunden zu verringern. Die Kosten für das Riesenprojekt werden auf zwischen fünf und sieben Milliarden Dollar geschätzt. Den Ausschlag für die Franzosen wird am Ende deren größere Erfahrung bei der Betreibung eines Hochgeschwindigkeitsnetzes gegeben haben. Außerdem hatte FasTrac 1,7 Milliarden Dollar an staatlichen Subventionen verlangt. Beide Konsortien hatten 500 Millionen Dollar in die Entwicklung ihres Angebots gesteckt.

Der bisher schnellste Zug in den USA verkehrt zwischen Washington und New York und kommt auf maximal 200 Kilometer in der Stunde. Für die Bauer des 400 Stundenkilometer schnellen französischen TGV öffnet sich mit dem Texas-Projekt also ein ganz neuer Markt und Kontinent; vorausgesetzt der „Bullet Train“ (Geschoßzug) kann in Texas auf die Gleise gesetzt werden.

Daran sind allerdings starke Zweifel angebracht. Ähnliche Pläne für ein Hochgeschwindigkeitsnetz in Kalifornien und Florida waren in der Vergangenheit immer an der Finanzierung gescheitert. Ohne Staatsgelder bewegte sich der geplante Schnellzug am Ende nie aus dem Bahnhof. Denn vielen privaten Investoren war der Zeitraum einfach zu groß, bis der erwartete Ertrag aus ihrer Geldanlage in Form von Ticketpreisen an sie zurückfließen würde.

Außerdem ist völlig unklar, ob die Amerikaner bei einer geringeren Bevölkerungsdichte und einer größeren Gewöhnung an den Auto- und Flugverkehr so willig in die Hochgeschwindigkeitszüge umsteigen werden wie Europäerinnen und Japaner. Skeptiker zweifeln denn auch die Schätzungen des französischen Konsortiums für das zukünftige Passagieraufkommen wie den Finanzierungswillen der privaten Kapitalmärkte an, auch wenn die texanische Öffentlichkeit sich begierig zeigt, mit dem Superschnellzug in die High-Tech-Folklore des 21. Jahrhunderts einzugehen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen