Frauenhandball — Männerfreundschaft

■ TuS Walle Bremen besiegt die Ost-Meisterinnen des SC Leipzig 22:18 und stürmt in einer Saison aus den Niederungen der Zweitklassigkeit auf den Gipfel des vereinten deutschen Frauenhandballs

Bremen (taz) — Es war bestimmt kein schönes Spiel, aber für die Bremerinnen war es ein schönes Ergebnis. Im Jahr vier nach Volker Brüggemann, dem Bremer Kaufmann, der Europas beste Handballspielerinnen gekauft und nach Bremen geholt hat, ist Walle Deutscher Gesamtmeister: Mit dem 22:18 über die Frauen vom SC Leipzig machten die Bremerinnen ihren sensationellen Aufstieg von der Nordsse-Liga bis zum Deutschen Meister perfekt, nonstop und ungeschlagen, versteht sich, ein spektakulärer Erfolg einer professionell arbeitenden Vereinsabteilung.

Walles Profi-Projekt ist in der Frauen-Bundesliga einmalig: Alle Spielerinnen bekommen über Sponsorenfirmen Wohnung, Auto und Arbeit, von der sie freigestellt werden und können so zweimal täglich trainieren. Wieviel Geld hinter dem TuS Walle steckt, blieb immer ein gut gehütetes Geheimnis. Ein Beispiel mag die Dimensionen verdeutlichen: Allein 50.000 Mark Siegprämie sei jeder Spielerin für den Gewinn der Deutschen Meisterschaft versprochen worden, so wurde in Bremen gemunkelt: „Das ist völliger Quatsch“, erklärte Sponsor Brüggeman nach dem Endspiel vor der versammelten Presse. „Bei unseren Steuergesetzen sind das allein zwei Millionen Mark, da werden Sie doch lachen.“ Niemand lachte.

Der Aufstieg des TuS Walle ist eine Vater-Tochter-Geschichte, die der Ehrgeiz schrieb. Vor vier Jahren dealte Brüggemann mit Walle-Trainer Hans-Herbert Ludolf, als die Mannschaft noch in der Nordsee- Liga warf und Bremens zweite Handballwahl neben dem Lokalkonkurrenten Hastedt war. Der Deal: Brüggemann sorge für das nötige Geld, wenn seine Tochter 50 Minuten Spielanteil garantiert bekommt. Die beiden Männer schlugen ein, und so begann ein kräftiges Kaufen und Kommen und Gehen, das allein Kreisläuferin und Sponsorentochter Diana Brüggemann, die Lady Di aus Bremen-Walle, überlebt hat: Um sie herum kaufte Vater Brüggemann Europas beste Handballspielerinnen, unter anderem den ungarischen Nationalrückraum mit Csilla Elekes, Anico Gezci und Eva Kiss, die DDR- Nationalspielerinnen Cordula David und Silke Fittinger, Dagmar Stelberg, die Grande Dame des BRD- Handballs und die Weltklasse-Torfrau Sabine Picken-Adamik. Jüngster Einkauf bei Walle: Die sowjetische Rechtsaußen Marina Basanowa aus Kiew, die von der nächsten Saison an bei Walle werfen wird. „Alles, was ich für den Handball getan habe, habe ich für mene Tochter getan“, hatte Brüggemann oft genug öffentlich erklärt.

Mit Beginn der neuen Saison ist Wachablösung bei Walle. Der seit 24 Jahren als Trainer tätige Sportlehrer Ludolf wird technischer Direktor, sein Nachfolger wird der ungarische Erfolgshandballer Laszlo Kovacs. Kovacs hat sportlich die uneingeschränkte Kompetenz, alte Absprachen zwischen Trainer und Sponsor gelten nicht. Diana Brüggemann wird in der nächsten Saison nicht mehr Handball spielen. Sie ziehe sich „aus gesundheitlichen Gründen“ vom Leistungssport zurück, erklärte sie vorgestern nach dem Spiel. Knie kaputt, Hüfte kaputt, Schulter kaputt: Nach sieben Jahren Walle tritt Lady Di zurück.

Böse Bremer Zungen hatten in der Vergangenheit immer wieder behauptet, daß sie ihre Spielberechtigung nur dem finanziellen Engagement ihres Vaters verdanke, aber das stimme natürlich nicht, erklärte Volker Brüggemann vorgestern noch einmal. Nicht das Geld, so führte der Sponsor weiter aus, habe den Erfolg des TuS Walle begründet, sondern die Freundschaft. Jawohl, die Freundschaft zwischen Männern wie Brüggemann, Trainer Ludolf, Manager Eddi Birr, die Freundschaft und das Vertrauen, das Vertrauen zwischen Männern wie Brüggemann, Ludolf, Birr, die Harmonie, die „nirgends auf der Welt so groß ist wie in Walle“ (Brüggemann). „Überall wird versucht, mit Geld Mannschaften zu sponsern, und nur wir haben es geschaftt“, freute sich Brüggemann, der mit dem TuS Walle eine Familie gegründet hat.

Brüggemann selbst will sich weiter um die rosige Zukunft des TuS Walle sorgen, auch, wenn seine Tochter nicht mehr mitspielen wird. „Ich habe jedes Jahr gewettet, daß wir ungeschlagen durchmarschieren werden, und ich wette auch dieses Jahr, daß wir den Europapokal holen werden.“ Diesmal nicht für seine Tochter, sondern für Bremen, wo er „nach dem Krieg sein Brot mit anderen geteilt hat.“ Zwei Jahre gibt er dem TuS Walle noch Zeit, nach neuen Sponsoren Ausschau zu halten, dann wird er sein Geld aus dem Verein herausziehen. Ein echter Vater, eben, der will, daß sein Kind auf eigenen Beinen stehen kann, wie seine Tochter Diana. Markus Daschner