piwik no script img

„Über diesen Sieg kann ich mich nicht freuen“

■ Die Berliner Männerhandballer gewannen den Ost-Pokal 1991 nach einem 25:16-Erfolg im Rückspiel gegen Post Schwerin Die düstere Zukunftsvision des HC Preußen: 1990 letzter DDR-Meister, 1991: letzter Pokalsieger Ost, 1992: das Letzte?

Schöneberg (taz) — „Über diesen Pokalsieg kann ich mich nicht freuen“, sagt Stefan Hauck emotionslos und sammelt die leeren Sektflaschen ein, „der gesamtdeutsche Pokalsieg wäre zwar reizvoll, aber für welchen Verein hole ich denn diesen Pokal? Für einen, der in zwei Wochen keine Spieler mehr hat“, beantwortet Berlins Nationalspieler die Frage gleich selbst. Die Freude des HC Preußen über seinen ersten nationalen Pokal wird von seinem eigenen Dilemma getrübt. Die wirtschaftlich-personelle Talfahrt des Berliner Handballvereins ist wohl nicht mehr zu stoppen.

Im Final-Rückspiel gewannen die Preußen 25:16 gegen ihren Mecklenburger Kontrahenten Post Schwerin, dem der Ruhm bleibt, mit dem 17:16 im Hinspiel für die erste Preußen- Niederlage seit sieben Monaten gesorgt zu haben. Das gelang einem Verein, der seit 20 Jahren der höchsten Spielklasse der DDR angehörte, in dieser Zeit zwar viele Spieler an die Sportclubs delegieren mußte, aber nur ganze vier Handballer von außerhalb verpflichtete. „Obwohl wir uns für die Bundesliga verstärken müssen, sind wir stolz auf unsere Eigengewächse“, meint Co-Trainer Peter Rauch, der über die Talfahrt beim HC Preußen nur müde lächeln kann.

„Du kannst diese ganzen Querelen auf Dauer nicht verdrängen“, erzählt National-Linksaußen Jean Baruth, der im Finale sechsmal vom Siebenmeter-Punkt traf und damit fleißigster Torewerfer war. „Das war jetzt die Pflicht für uns. Was nun kommt, ist Dessert, Zugabe, Kür“, erwartet der quirlige Kreisspieler gelassen den Pokalsieger West, TuSEM Essen.

„Da kommt eine Supertruppe, besser besetzt auf allen Positionen“, weiß Trainer Gunther Funk, „aber mit links stellen die uns auch nicht in die Ecke.“ Helge Janeck, der beste Werfer der letzten Wochen, soll gegen Essen wieder mitspielen, nachdem er diesmal wegen einer Schulterverletzung pausieren mußte. Den größten Respekt hat Funk vor der aggressiv-harten Deckungsarbeit der Essener, „da müssen sich meine jungen Burschen warm anziehen.“

Aber Funk verrät auch zwei eigenwillige Methoden der Informationsbeschaffung über den Gegner: „Ich habe gestern mit Jürgen Querengässer telefoniert,“ der voriges Jahr von Berlin nach Essen wechselte. Vom ihm erfuhr Funk von der peniblen Vorbereitung bei TuSEM auf die Berlin-Spiele. „Und dann werde ich morgen Heiner Brand in Gummersbach anrufen. Die spielen schließlich gegen Magdeburg.“ Funk strebt ein Agreement nach dem Motto: „Verrate mir, wie ich gewinne, dann sage ich dir, wie du nicht verlierst“ an.

Nach den Spielen gegen Essen am 5. (in Berlin) und 9. Juni scheint für den HC Preußen der Moment des Abschiednehmens gekommen. Präsident Lips hofft zwar immer noch auf zehn unterschriebene Verträge, verspricht ausländische Verstärkung und eine kritische Mitgliederversammlung am 12.Juni. Aber da werden ihm mehr als die halbe Mannschaft, der nach Suhl wechselnde Trainer und engagierte Sponsoren fehlen. Nach dem Spiel war es in der Berliner Kabine nicht nur still, sondern auch leer. bossi

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen