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»Angedachtes« zu den Pflegekosten

■ Im Abgeordnetenhaus diskutierten SeniorInnen über die »Dauerbrenner« Pflegeversicherung und Heimkosten/ Tiefe Furcht vor dem Sozialfall/ Bis auf den letzten Platz gefüllter Plenarsaal

Berlin. »Wie lange soll die Diskussion um die gesetzliche Pflegeversicherung eigentlich noch dauern? Wir Alten können nicht mehr warten.« Mit dieser Frage und anderen Problemen sahen sich Vetreter aller Fraktionen des Berliner Abgeordnetenhauses konfrontiert, als Vertreter von Seniorenverbänden der Stadt ihre Probleme im Rathaus Schöneberg im Rahmen der gegenwärtig stattfindenden 17. Seniorenwoche darlegten.

Fragen zur bisher gesetzlich noch nicht geregelten Pflegeversicherung und zu den Pflegeheimkosten, die gleich als erste im bis auf den letzten Platz besetzten Plenarsaal gestellt wurden, bezeichnete auch Parlamentsvizepräsidentin Marianne Brinckmeier (SPD) als »Dauerbrenner«. Zum Problem der Pflegeheimkosten sei in den Berliner Koalitionsvereinbarungen etwas »angedacht«, wurde zu vertrösten versucht. Auch wenn die anwesenden Senioren sehr couragiert wirkten, machte die Debatte doch deutlich, wie tief die Furcht vor einem möglichen Pflege- und Sozialfall bei den Bürgern der älteren Generation sitzt.

Auf die zum Teil sehr hohen Selbstbeteiligungskosten in Heimen bezogen — in West-Berlin kostet ein Platz bis zu 6.000 DM —, verwies Sozialsenatorin Ingrid Stahmer (SPD) auf die vom Senat angestrebte Unterbringung in Pflegewohneinrichtungen. Darin sollten Senioren ein selbstbestimmtes Leben führen können, ohne auf pflegerische Betreuung verzichten zu müssen.

Den 72 Sozialstationen im Westteil der Stadt und den 40 Einrichtungen in Ost-Berlin komme darüber hinaus eine große Bedeutung bei der ambulanten Betreuung älterer Menschen zu. Frau Stahmer hob die große Zahl von Heimplätzen für Senioren im Ostteil hervor. Während 19 Prozent der über 75 Jahre alten Bürger im ehemaligen Ost-Berlin in Heimen lebten, seien dies im Westteil nur sechs Prozent. Der bauliche und technische Zustand der ehemaligen DDR-Einrichtungen sei jedoch nicht auf dem Niveau, um Gesamtberliner Ansprüche befriedigen zu können. Was die menschliche und persönliche Atmosphäre in den Einrichtungen des Ostteils betreffe, so habe sie jedoch »manches Nettere dort erlebt als im Westteil der Stadt«, fügte die Senatorin hinzu.

Neben dem Für und Wider um einen gesonderten Ausschuß für Behindertenfragen im Parlament, mit dem die Ostberliner Stadtverordnetenversammlung gute Erfahrungen gemacht hatte, ging es bei der Seniorendebatte auch um das Problem steigender Kriminalität gegenüber älteren Menschen. Für eine stärkere Präsenz der Polizei wollten sich die Parlamentarier stark machen. Auch sollten die sozialen Ursachen für einen Anstieg der Kriminalität besonders im Ostteil der Stadt nicht außer acht gelassen werden.

Helga Pett/adn

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