: Ziemlich hingeknipst
■ »Berlin, 13. August 1990« — Die Ausstellung zum Buch in der Galerie Eva Poll
Es geschah in einer Zeit, da viele Neugroßdeutsche zum erstenmal den Fuß auf Mallorca setzen durften, die Ost-Ostseebäder novemberartig entvölkert schienen und Prag fast ohne Jesuslatschen war: im August 1990. 28 FotografInnen aus Ost und West stürzten sich just am 13. des Monats auf das notdürftig geflickte Berlin, um ihre Sicht auf die Stadt, den Tag und die Menschen denselben nicht länger vorzuenthalten. Beauftragt waren sie durch den Constructiv-Verlag, der aus den Resultaten der Auf-die-Plätze-fertig- los-Aktion das definitive Berlin- Souvenir produzierte, den Bildband Berlin, 13. August 1990, 364 Seiten, in Form eines Mauersegments natürlich und für 118 Mark fast geschenkt. Schwer vorstellbar, daß das Geschäft damit boomt, auch wenn die Jury der Frankfurter Stiftung Buchkunst für die Gestaltung eine »Lobende Anerkennung« springen ließ. Der Preis ist schlicht zu hoch, wenn man nicht gerade Amerikaner, sondern ein Betroffener ist, den das Thema »Berlinmauerberlin« leise zu nerven beginnt...
Seit dem 3. Juni sind nun die Arbeiten von 17 der am Buch beteiligten FotografInnen im edlen Ambiente der Galerie Eva Poll am Lützowplatz zu besichtigen. Daß das Eröffnungspublikum eher gelangweilt ums Büfett gruppiert schien, hat zunächst nicht viel zu sagen. Schade ist nur, daß es diesmal zu Recht gelangweilt war. Was an Substanz und Kraft in dem vorhandenen Bildmaterial noch zu finden war, wurde mit sicherer Hand in die äußersten Ecken weggehängt. So war die Rezensentin froh, in einer der hinteren Katakomben, wo so mehr die Garderobe zu vermuten wäre, das hervorragende Bildtableau von Kurt Buchwald Bernauer Straße 12 überhaupt noch aufzuspüren. Buchwald hat nicht den Fakt »gefallene Mauer« an sich fotografiert, sondern er stellt eine fast grafisch angelegte Serie vor, die die Mondlandschaft aus niedergerissenem und liegengelassenem Beton unter dem nächtlich verdunkelten Berliner Himmel zu einem Symbol für seine eigenen zwiespältigen Gefühle werden läßt. The war is over — die Schauer auf dem Rücken kommen erst...
Die Leipzigerin Karin Wieckhorst wurde zu DDR-Zeiten mit ihren streng komponierten, symbolträchtigen und inhaltlich meist mehrdimensional auslegbaren Berlin-Fotos bekannt. Um so verwunderlicher, daß sie in Ausstellung und Buch derartig langweilige »Momentaufnahmen« und noch dazu unter dem Titel Mit dem Trabi auf Achse zeigt. Die Bilder wirken ziemlich hingeknipst. Doch das ist nun einmal Idee und Werbegag des Projekts — alle fotografieren zuuuugleich.
Für Harald Hauswald war der 13. August 90 der Tag der Stones. Auch das edle Schwarz-weiß rettet die Fotos nicht vor Flachheit, so daß als einziges die Frage beschäftigt, wie er den old boys so nahe gekommen sein mag. Teleobjektiv oder nicht, war denn auch die von den Kollegen diskutierte Frage.
Sympathisch ist hingegen die Idee, das Pathos des Projekttitels konsequent zu brechen: Helga Paris versteht ihn als die Aufforderung zu einer fotografischen Tagebuchnotiz über persönlichen Alltag an einem ganz normalen Tag in einer ganz normalen Stadt. Während andere professionell das Thema bedienten — Heiner Müller an der Mauer (Roger Melis), furchteinflößende Lederstiefel an der Neuen Wache (Ingrid Hartmetz) oder Trabi (Uwe Haack), hat sie dort fotografiert, wo sie offensichtlich ohnehin gerade war: im Strandbad Müggelsee. Zurückhaltend warm, nachdenklich und merkwürdig zeitlos ist ihr Blick auf Frauen, Kinder, Situationen, so daß die Bilder erzählen, ohne dem Betrachter Agitation oder Anekdotisches aufzudrängen. Auch die stillen, menschenleeren Fotos von Harf Zimmermann Ost-Berlin, einige Orte, laben das gestreßte Auge und sträuben sich erfolgreich gegen die Vermarktung des Berliner Traums.
Wer also das im Ganzen ziemlich fade Antlitz einer Für-jeden-etwas- Ausstellung noch aushalten kann, sollte sich wegen dieser Bilder zum Lützowplatz begeben. Ulrike Stöhring
Berlin, 13. August 1990 , 17 Berliner Fotografen, noch bis zum 27. Juni in der Galerie Eva Poll.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen