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Wie Männer schwanger werden können

■ Betr.: "Behutsame Fortentwicklung", taz vom 13.6.91

betr.: „Behutsame Fortentwicklung“ (Verfassungsrichter a.D.Simon plädiert für eine Verfassungsreform), taz vom 13.6.91

Endlich hat mann es geschafft: Männer können schwanger werden? Jedenfalls wenn man Verfassungsrichter a.D.Simon beziehungsweise den Entwurf einer neuen brandenburgischen Landsesverfassung „wörtlich“ nimmt: „[...] 4.Auszubildenden, schwangeren, alleinerziehenden, kranken, behinderten und älteren Arbeitnehmern gebührt besonderer Kündigungsschutz.“ Na, bravo! Damit sind die Brandenburger dem Rest der männlichen Menschheit um einges voraus. Glückwunsch.

Ja, ja, meine Herren Verfassungsreformbefürworter und -nichtbefürworter, „der Entwurf einer neuen brandenburgischen Landesverfassung ist hier recht lehrreich. Da haben Sie alle miteinander nämlich etwas gemeinsames: Den wenigsten von Ihnen fällt es ein, in Ihre Überlegungen einzubeziehen, daß es BürgerInnen oder Bürger/innen oder Bürger und Bürgerinnen sind, die das Volk ausmachen (ganz zu schweigen von ArbeitnehmerInnen, AusländerInnen, RichterInnen, etc. pp.). Frauen sollen Ihnen glauben, daß sie es ernst meinen, wenn Sie sagen: „Männer und Frauen sind gleichberechtigt“ (Art. 3 Abs. 2 GG), nur braucht mann weder in Verfassungen noch in anderen Texten durch Sprache zum Ausdruck zu bringen, daß Frauen ein Teil (die Hälfte oder sogar mehr) des Volkes sind. (Und dann kommen eben in Landesverfassungen Stilblüten, wie die obige zustande).

Damit können sich dann allerdings „nur solche Bürger zufriedengeben, deren Lebenszuschnitt nichts zu wünschen übrig läßt...“. Der Lebenszuschnitt der meisten Bürgerinnen dieses Landes läßt allerdings einiges zu wünschen übrig, angefangen damit, daß sie in Verfassungen und Gesetzestexten überhaupt nicht erwähnenswert sind.

Vielleicht wäre es ja möglich, daß in einer neuen Verfassung „nach dem neusten Stand und den Erfahrungen“ darauf geachtet wird, daß es zum Beispiel Bürger/innen, Staatspräsident/innen, Schriftführer/innen etc. gibt und daß zum Beispiel „Jede/r das Recht auf freie Entfaltung seiner/ihrer Persönlichkeit...“ hat. Damit und mit einer Volksabstimmung könnte es auch den Bürgerinnen möglich sein, sich „mit der Verfassung des deutschen Staatswesens zu identifizieren, „eingedenk einer Erfahrung der Lernpsychologie: Fremdes wird eher als Eigenes angenommen, wenn Eigenes hinzugefügt werden kann“. Lilo Hesse, Kulmbach

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