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„Ökologie dank der Chemieindustrie“

IG-Chemie-Chef Hermann Rappe fordert die „umweltgerechte Industriegesellschaft“/ Gegen prinzipiellen Atomausstieg  ■ Aus Bonn Martin Kempe

Hermann Rappe, der Vorsitzende der Industriegewerkschaft Chemie, ist kein Diplomat. Er verbirgt nichts, er liebt die klare Stellungnahme, die deutliche Sprache. Er legt Wert darauf, für Freund und Feind kalkulierbar zu sein. Auch als Partei- und Bundestagsmitglied der SPD ist ihm jeder Opportunismus gegenüber den kurzfristigen Stimmungen der Partei zuwider, und seine Macht als Gewerkschaftsvorsitzender gibt ihm die notwendige Unabhängigkeit für ein „Ohne uns“, wenn er dies für notwendig hält.

Am Donnerstag hielt er es für nötig. In seiner programmatischen Grundsatzrede auf dem Gewerkschaftstag der IG Chemie forderte er: „Es muß wieder zu einer stärkeren Verständigung zwischen SPD und Gewerkschaften kommen.“ Diese Verständigung habe in den letzten Jahren erheblich gelitten, insbesondere weil die SPD den deutschen Vereinigungsprozeß allein unter wahltaktischen Gesichtspunkten gesehen habe. Die SPD müsse die Nöte und Wünsche der Arbeitnehmer aufnehmen, „sonst entfernt sie sich in Richtung realitätsferner akademischer Positionen“. Und dazu könnten die Gewerkschaften, so Rappe, nur eines sagen: „Ohne uns.“

Denn die Gewerkschaften hätten „keiner Partei zu dienen, sondern nur ihren Mitgliedern“. Rappe bekannte sich in seinem Referat zur „ökologisch-sozialen Marktwirtschaft“, die als einzige zur Lösung der Zukunftsprobleme in der Lage sei. Alle „politideologischen Akrobatenakte zur Erfindung sogenannter alternativer Wirtschaftsordnungen“ könnten die Zukunftsprobleme nicht bewältigen.

Aber so wie die Marktwirtschaft einst um den Faktor „sozial“ ergänzt worden sei, müsse jetzt der „Natur“ im Wirtschaftsprozeß ein neues Gewicht gegeben werden. Rappes Phantomgegner ist der von den grünen „Turnschuh-Aposteln“ angeblich betriebene „Ausstieg aus der Industriegesellschaft“, der einem „Einstieg in das gesellschaftspolitische Chaos irrealer Utopien“ gleichkomme. Er fordert die „umweltgerechte Industriegesellschaft“. Dazu gehört vor allem ein neues Energiekonzept.

Zwei Alternativen sieht der IG- Chemie-Vorsitzende: die Atomkraft und die Sonnenenergie. Rappe forderte ein Ende der „emotionalen Diskussion“ um die Atomkraft. Das Wort „Ausstieg“ müsse durch „Umstieg“ ersetzt werden.

Die prinzipielle Ablehnung der Atomkraft ist ihm zuwider: „Wenn eine Partei glaubt, die Kernenergie als solche heute und für alle Zukunft ablehnen zu müssen, dann hat sie die Zukunft nicht begriffen.“ Ebenso forderte er die Regierung zu einer offensiven Förderung der Sonnenenergie auf, insbesondere in Form regenerativer pflanzlicher Energien. Die Chemieindustrie, so Rappe, sei die Schlüsselbranche für die ökologische Reform der Industriegesellschaft.

Rappe forderte die Chemieindustrie auf, nun endlich in den neuen Ländern zu investieren. Für den Fall weiterer Investitionszurückhaltung der Westkonzerne sollen die Betriebe zunächst „in staatlicher Regie und in Eigentum der Treuhand“ weitergeführt werden. Die wichtigste Aufgabe des deutschen Einigungsprozesses sei, daß die positiv erkämpfte Demokratie sich für die Menschen nicht mit negativen sozialen Erfahrungen verbinde: „Wir lassen eine Entwertung unserer Mitglieder durch die deutsche Vereinigung nicht zu.“

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