: Unsere letzte Waffe: Klatsch
Matthias Greffrath, bislang als freier Journalist überwiegend für die 'Zeit‘ tätig, ist nun doch Chefredakteur der ehemaligen Ost- und jetzigen Gruner + Jahr-Wochenzeitung 'Wochenpost‘ geworden. Marianne entschuldigt sich hiermit für die falsche Prognose vom vergangenen Wochenende und muß einräumen, daß sie nicht weiß, wieviele OstlerInnen Herr Greffrath nun wo, wann, wohin ab-, um- und schiefwickeln darf. Trotzdem werden wir ungehemmt weiterspekulieren und mit Diedrich Diedrichsen an der Parole festhalten: »Klatsch ist die letzte materialistische Waffe gegen die Meinung.«
Rechtzeitig zum Höhepunkt des schwulen Jahres, der Christopher- Street-Woche, kommt frohe Kunde aus Frankfurt am Main in die gleichgeschlechtliche Hauptstadt: Martin Dannecker, Cheftheoretiker der Bewegung, wurde am vergangenen Mittwoch endlich Professor. Mit einem durch und durch schwulen Thema — »Das Sexualverhalten der Schwulen nach Aids« — habilitierte sich der offen schwule Wissenschaftler in der Humanmedizin.
Abwicklung mit Tennisgeld: beim Fernsehen aus Berlin (FAB) dürfte bald eine neue Nachrichten-Crew auf dem Schirm zu sehen sein. Die alte Mannschaft, die erst kürzlich wegen nicht gezahlter Honorare streikte, ist erst mal kalt gestellt, weil FAB mit seinem 45 Minuten-Fenster auf RTL für 14 Tage Pause macht. Denn die RTLer brauchen die Sendezeit für die Übertragungen aus Wimbledon und zahlen dafür sehr gut. FAB, so wird gemunkelt, will sich mit den Einnahmen aus dem Minuten-Verkauf des Fensters eine neue Nachrichten-Truppe basteln. Die alten Leute sind weg vom Fenster. Vorstand Paul Stutenbäumer dementiert natürlich: »Das ist alles völlig unabhängig von Wimbledon. Alle alten Leute kriegen das Angebot, wieder mit dabei zu sein.« Abwarten und einschalten.
Dieter Kunzelmann, Altfranke, Altlinker und Situationist i.R., hat sich wütend aus den Vorbereitungen zu einer Ausstellung des Werkbund- Archivs zurückgezogen. »Spuren ins 3. Jahrtausend« soll ab September Wirken und Werk des »Situationisten« — Provokationsstrategen zwischen Kunst und Politik — zeigen. Kunzelmann, maßgeblich an der Ausstellung beteiligt, sprang vom Dampfer, weil ein Gedicht von ihm über Detlev Karsten Rohwedder, Hanno Klein und Eberhard Diepgen durchfiel. Das Gedicht sollte Teil der PR-Arbeit für die Ausstellung und auf einem Anruf-Beantworter des Werkbund-Archivs zu hören sein. Anzeigen mit der Nummer des Anrufbeantworters waren kürzlich schon erschienen. Als Kontaktannoncen in der taz und der 'Berliner Zeitung‘: »Sex-Fernsprecher für FeministInnen und ErzieherInnen. Jetzt neu.« Das war den Leuten vom Werkbund-Archiv dann doch zu provokativ.
Ein regelrechter Kulturschock durchzuckte auch Rainer Wagner, den Berlin-Bevollmächtigten des Elektronik-Konzerns Sony. Wagner war am Mittwoch von Köln nach Berlin gejettet, um den umstrittenen Kaufvertrag für ein großes Grundstück am Potsdamer Platz klar zu machen. An der Spree mußte er sich nicht nur scharfer Kritik der normalerweise eher unternehmerfreundlichen CDU erwehren. Journalisten überraschten ihn auch mit Kopien des Kaufvertrages, den Wagner eben erst unterzeichnet hatte. Konsternierter Kommentar des rheinländischen Geschäftsmanns: »Merkwürdige Stadt!«
Zum Schluß noch unser Reiseruf: Hans-Peter Krüger, Hauptabteilungsleiter »Kulturelles Wort und Literatur« sowie Personal- und Verwaltungsratmitglied beim realexistierenden Sender Freies Berlin, soll sich bei seiner jungen hübschen Freundin, die zudem noch eine berühmte Autorin ist, hinsichtlich eines gemeinsamen Fahrradurlaubs melden. Chiffre: DOSE. Marianne
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen