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Der große Run auf die Zapfhähne

■ Hamsterkäufe an den Tankstellen: Ab heute kostet Sprit bis zu 28 Pfennigen mehr/ Der durchschnittliche Berliner tritt trotzdem weiter auf's Gaspedal/ Hunderte demonstrierten gleichzeitig in der Innenstadt gegen die Tariferhöhungen von BVG und BVB

Berlin. Da lachte das Herz der Ölmultis: Inmitten schmieriger Ölpfützen und stinkender Auspuffgase sprudelten gestern auf Berlins Tankstellen die Zapfhähne: Je näher die Stunde Null — die Erhöhung der Mineralölsteuer — rückte, um so hektischer wurde die Betriebsamkeit. Bepackt mit sämtlichen Benzinkanistern, die in der heimischen Garage aufzutreiben waren, rückten Familienpapis, preisbewußte Muttis und Junggesellen beiderlei Geschlechts in ihren bescheidenden oder luxuriösen Kutschen an, um diese noch einmal erbarmungslos bis zum Anschlag vollzupumpen. Besondere Pfennigfuchser füllten zum Schluß sogar noch ausgediente Spüliflaschen ab. Der Grund: Um Mitternacht kletterten die Preise auf eine — von den Wochen des Golfkrieges abgesehene — bislang einzigartige Höchstmarke von 147,9 Pfennig für normal bleifreien Sprit und auf 165,9 Pfennig für Super verbleit. Nur der Preis für Diesel-Kraftstoff hielt sich mit 114,9 Pfennigen halbwegs in Grenzen.

Wer seinen Golf volltanken will, muß dafür ab heute 13,75 DM mehr berappen. Trabi-Fahrer werden für das Benzin/Öl-Gemisch rund sieben Mark draufzahlen müssen.

Michael Rixen, der in der Hamburger Bundesgeschäftsstelle der Shell AG für die Versorgung der Tankstellen zuständig ist, schätzte, daß die Shell-Tankstellen im Berliner Raum in den vergangenen Tagen anderthalb mal soviel Umsatz gemacht haben wie üblich. Nach Angaben von Rixen waren die Tanklastzüge des Konzerns am Wochenende in der gesamten Bundesrepublik pausenlos zwischen den Raffinerien und Tankstellen im Einsatz, um Nachschub herbeizuschaffen.

Werden die Deutschen ihr Auto jetzt öfters stehen lassen und öffentliche Verkehrsmittel benutzen? Shell- Geschäftsmann Michael Rixen schätzt, daß die Auspuffe nach einem gewissen Gewöhnungseffekt — so wie kurzeitig während des Golfkrieges — genauso qualmen werden wie bisher. Erst ab zwei Mark aufwärts, so Rixens Vermutung, »wird es einen Knick geben«. Der Ölmulti Shell will jetzt mit einer Umfrage ermitteln, von welchem Preis an der durchschnittliche Deutsche seinen Bleifuß vom Gaspedal nimmt.

Aber selbst wer schon jetzt bereit ist, auf öffentliche Verkehrsmittel umzusteigen, muß dafür ab 1. August tiefer in die Tasche greifen. Gegen die anstehende Fahrpreiserhöhung demonstrierten gestern mehrere hundert Menschen, die unter der Losung »Nulltarif statt Großstadtmief« vom Alexanderplatz zum Amtssitz von Verkehrssenator Haase (CDU) an der Urania zogen. Die Demonstranten übergaben eine Unterschriftenliste, in der sich Tausende von Berlinern für eine Senkung der Fahrpreise auf Ost-Niveau und für eine radikale Änderung des öffentlichen Nahverkehrs ausgesprochen hatten. plu

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