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"Wenn ich Europa sage, spreche ich von meinen Träumen"

Ich glaube, daß die europäische Einigung für uns viele Vorteile bringt. Wirtschaftlich wird es besser werden, denn es wird mehr Austausch geben, auch auf kulturellem Gebiet. Wir werden dann leichter reisen können. Das sind doch alles gute Aussichten. Wenn ich in Frankreich keine Arbeit finde, dann habe ich vor, in anderen europäischen Ländern nach einem Job zu suchen. Ich möchte Sportjournalist werden, und vielleicht habe ich da anderswo bessere Chancen.

Auf der anderen Seite ist die europäische Einigung eine sehr egoistische Sache, denn davon profitieren nur die Europäer, alle anderen werden ausgeschlossen. Die anderen Kontinente sollten sich deshalb auch zusammenschließen, wie zum Beispiel der Große Maghreb, und dann könnten zwischen den anderen Kontinenten und Europa Öffnungen vereinbart werden. Ich glaube allerdings nicht, daß es dazu kommen wird, und ich befürchte, daß Europa sich doch nur um seine eigenen Geschäfte kümmern wird und alle anderen außen vor bleiben. Es besteht die Gefahr, daß den marokkanischen Jugendlichen jede Hoffnung genommen wird, in Europa zu studieren, und das wäre schlimm für sie.

Aber eigentlich spielt das alles für mich und meine Freunde noch gar keine Rolle. Das vereinigte Europa — das erscheint uns noch ziemlich weit weg. Wir warten halt ab, was passieren wird. In der Schule wird auch nicht davon geredet. Wir wissen eigentlich gar nicht, was in den anderen Ländern passiert. Dabei hätte man schon längst anfangen sollen, europäische Regeln zu verwirklichen, statt damit bis 1993 zu warten. Ich glaube, in Deutschland oder in anderen europäischen Ländern, da haben die Schüler jeden Morgen Sport und nachmittags Unterricht, oder umgekehrt. In Frankreich hat sich da noch gar nichts geändert: Wir haben immer morgens und nachmittags Schulunterricht und nur zwei Stunden Sport in der Woche. Das hätten sie mal längst ändern sollen, finde ich. Da sollte sich Frankreich den anderen Ländern endlich anpassen. Aber bei der Ferienregelung, da muß sich Frankreich durchsetzen. Wir haben jetzt fast drei Monate frei. Nur sechs Wochen wie in Deutschland — das wäre ja schrecklich. Marouan Tayibi (16)

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