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Länder lieben Bonn — bis auf weiteres

■ Auf der mit Spannung erwarteten Bundesratssitzung entschied sich die Mehrheit der Länder für den Verbleib in Bonn/ Der Beschluß kann aber ausdrücklich in „späteren Jahren“ revidiert werden

Bonn (dpa/ap/taz) — Eine eindeutige Entscheidung darüber, ob der Bundesrat in Bonn oder Berlin zu residieren wünscht, hat die Länderkammer gestern nicht getroffen. Für einige Jahre aber bleiben die Ländervertreter auf jeden Fall in der gewohnten Umgebung. Dies beschlossen sie mit 38 von 68 Stimmen und der Maßgabe, „in späteren Jahren im Lichte der noch zu gewinnenden Erfahrungen sowie der tatsächlichen Entwicklung der föderativen Struktur“ der Bundesrepublik zu überprüfen. Der Umzug von Regierung und Parlament sei ohnehin, wie es in verschiedenen Redebeiträgen gestern hieß, erst in zehn bis zwölf Jahren zu erwarten.

Für den von Nordrhein-Westfalen vorgelegten Bonn-Antrag stimmten insgesamt neun der 16 Bundesländer: Außer dem Initiator die Länder Schleswig-Holstein, Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz, Saarland, Bremen, Berlin, Brandenburg und Sachsen-Anhalt. Über einen von Bayern vorgelegten Alternativantrag, langfristig zusammen mit Parlament und Regierung nach Berlin umzuziehen, wurde gar nicht mehr abgestimmt.

Bis zum Jahresende soll, so der Bundesrat, die Regierung ein Konzept für den Umzug nach Berlin und die Finanzierung seiner Kosten und Folgelasten vorlegen. Bundesratspräsident Henning Voscherau wurde beauftragt, mit Bundestagspräsidentin Rita Süssmuth die Bildung einer Föderalismuskommission zu vereinbaren, die Vorschläge für eine Verteilung der Einrichtungen des Bundes in der BRD erarbeiten soll. Wie es heißt, sollen dabei die neuen Bundesländer besonders berücksichtigt werden.

Der — vorläufigen — Entscheidung für Bonn ging eine rund zweistündige Debatte voraus. Der bayerische Ministerpräsident Max Streibl vertrat seinen Antrag für Berlin mit dem Argument, dem Föderalismus wäre ein schlechter Dienst erwiesen, wenn sich die Länder aus der Hauptstadt Berlin verdrängen ließen. Der Bundesrat dürfe sich von der faktischen Entwicklung nicht abhängen lassen. Auch für den niedersächsischen Regierungschef Gerhard Schröder gehört das Verfassungsorgan Bundesrat an den Ort der realen Auseinandersetzungen um Macht und politischen Einfluß.

Die Bonn-Befürworter argumentierten dagegen, daß sich die Länderkammer am Rhein stärker als eigenständige Kraft des Föderalismus gegen Parlament und Regierung profilieren könne. Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Engholm will Bonn gar zur „Hauptstadt des Föderalismus“ machen. Der Stadt sollten nicht noch die letzten Wurzeln seiner geschichtlich-politischen Identität genommen werden. Außerdem würde die Länderkammer in Berlin von anderen Verfassungsorganen dominiert, in Bonn hingegen wäre ihr Aufmerksamkeit sicher. bg

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