Mit kühlem Kopf und sanfter Regie unaufhaltsam zum Erfolg

■ Die slowenischen Minister Jansa, Bavcar und Kacin haben mit ihrer Öffentlichkeitspolitik und Mobilisierungsstrategie die Armeeführung ausgetrickst

Der Krieg um Slowenien ist, so hat es den Anschein, vorerst zu Ende. Die jugoslawische Volksarmee will nicht mehr. Sie hat nicht nur eine militärische, sondern vor allem eine psychologische Niederlage erlitten. Das alte titoistische, von kommunistischen Idealen durchdrungene Offizierscorps wird sich aller Voraussicht nach von diesem Schlag nicht mehr erholen. Von früher gewohnt und dazu ausgebildet, wie „Fische im Wasser“ der jugoslawischen Gesellschaft zu schwimmen, war sie schon in den letzten Jahren zu einer internen Feuerwehr verkommen. In den vergangenen Jahrzehnten brauchte sich die Armee bei Einsätzen um ihre Verpflegung nicht zu sorgen: Die Menschen brachten den Soldaten Essen und Trinken. Es gibt wohl keinen eindeutigeren Beweis für den Realitätsverlust der Offiziere, als daß sie manche Einheiten in Slowenien ohne Verpflegung ausrücken ließen.

Überrascht wurde diese Armee nicht nur durch die Opferbereitschaft der Bevölkerung oder durch das Charisma des Ex-Kommunisten und Präsidenten Kucan. Als gefährlichste Gegner der Armee stellten sich in den erregenden Tagen seit der Unabhängigkeitserklärung am 25. Juni die dynamischen slowenischen Minister Jansa, Bavcar und Kacin heraus. Verteidigungsminister Janez Jansa, ein schlanker, gut angezogener und zurückhaltender Mann, der einem westeuropäischen Modejournal entsprungen sein könnte, erwies sich wie seine Freunde Bavcar und Kacin als ein fähiger Organisator. Jansa — er hat am soziologischen Institut der Universität Ljubljana in der „Abteilung für Volksverteidigung“ (einem Studiengang, der sich mit Problemen der Territorialverteidigung beschäftigt) studiert — hatte schon 1982 zusammen mit anderen aufmüpfigen Jungkommunisten einen Streit über die Verteidigungskonzeption vom Zaun gebrochen, nachdem er zum „Vorsitzenden der Kommission für allgemeine Volksverteidigung und gesellschaftlichen Selbstschutz“ des Sozialistischen Jugendbundes ernannt worden war. Denn damals begann die Armeeführung in den Territorialstreitkräften — also in der Volksbewaffnung — einen Gegner zu wittern, der ihr gefährlich werden könnte.

Zu Recht, wie sich jetzt herausgestellt hat. Als Mitglied der slowenischen Friedensbewegung war Jansa für die Demilitarisierung Sloweniens eingetreten und für die Möglichkeit eines Wehrersatzdienstes — nicht aus pazifistischen Erwägungen, wie wir heute wissen, sondern um der Unabhängigkeit des Landes die Tür zu öffnen.

Meilenstein für die Unab- hängigkeitsbewegung

Als 1988 die Zeitung 'Mladina‘ ein Telefongespräch des KP-Chefs Milan Kucan mit einem General veröffentlichte, aus dem hervorging, daß in Slowenien ein Putsch der Armee geplant sei, rächte sich die Armeeführung, indem sie Jansa, die 'Mladina‘-Redakteure France Zavrl und David Tasic sowie den Armeesergeanten Janez Borstner als „Spione“ vor ein Militärgericht brachte (auch taz-Korrespondent Roland Hofwiler wurde in diesem Zusammenhang für einige Tage festgenommen und des Landes verwiesen). Dieser Prozeß hat die Öffentlichkeit Sloweniens damals aufgewühlt. Es kam zu Demonstrationen, die um so größer wurden, je mehr nationalistische Argumente in den Vordergrund geschoben wurden. So regte es die slowenische Öffentlichkeit ungeheuer auf, daß die Angeklagten sich vor Gericht nicht in slowenischer, sondern in serbokroatischer Sprache zu rechtfertigen hatten.

Nicht zuletzt deshalb ist dieser Prozeß, der mit milden Urteilen endete, als ein Meilenstein in der jüngsten Geschichte der slowenischen Unabhängigkeitsbewegung zu bewerten. Der jetzige Innenminister Igor Bavcar war damals Vorsitzender des slowenischen Menschenrechtskomitees, das nicht aus der Tradition der Helsinki-Gruppen hervorging, sondern einzig in bezug auf den Prozeß und die Mobilisierung der Bevölkerung mit Einverständnis der Parteiführung unter Milan Kucan gegründet worden war. Der dynamische Militärexperte Jelko Kacin, der dritte im Bunde, war nach den Wahlen im April 1990 zunächst enger Mitarbeiter Jansas im Verteidgungsministerium, bevor er vor zwei Monaten Informationsminister wurde. Mit Außenminister Rupel zusammen bilden die vier die Minister-Crew der „Slowenischen Demokratischen Union“, der Partei, die die parlamentarische Mitte besetzt und bei den Wahlen landesweit 9,45 Prozent der Stimmen errungen hat.

Mit kühlem Kopf haben Jansa, Bavcar und Kacin nicht nur die militärische Verteidigung bis in die kleinsten Details vorbereitet. Sie haben auch aus dem Golfkrieg ihre Lehren gezogen. Sie wußten, daß es nicht nur darauf ankommt, sich dem Feind militärisch entgegenzustellen, sondern auch darauf, die Weltöffentichkeit zu mobilisieren. Die Feierlichkeiten für die Unabhängigkeit am Mittwoch, dem 26. Juni, bildeten den Auftakt für eine Presse- und Informationspolitik, mit der es in wenigen Tagen gelang, die Weltöffentlichkeit gegen die Politiker in Belgrad aufzubringen. Schon die ersten Bilder vom Einsatz der Armee, die Fernsehaufnahmen von Panzern, die ein Auto überrollen, schafften eine emotionale Grundstimmung, die nicht nur nach Slowenien selbst hineinwirkte. Noch kurz vor der Unabhängigkeitserklärung hatte eine Umfrage ergeben, daß nur knapp über 50 Prozent der Bevölkerung für die volle Souveränität Sloweniens einträten. Mit einer Pressepolitik, die auf die früher üblichen Propagandarituale verzichtete, gleichwohl jedoch einer sanften Regie unterlag, wurde diese Stimmung in wenigen Stunden umgedreht. Die Kampfbereitschaft der Bevölkerung ist nicht zuletzt dieser geschickten Regie geschuldet; sie ging einher mit einer minutiös geplanten Mobilisierung der Territorialeinheiten. Selbstverständlich hatten die Generale dieser mit modernen Mitteln erzeugten Einflußnahme nichts entgegenzusetzen. So fanden sie auch in der angespannten Situation nichts dabei, Journalisten mit Waffengewalt von den Toren des Hauptquartiers der 5. Armee in Zagreb davonzujagen.

Erstaunlich ist, daß die Bevölkerung während der Tage des Krieges keinerlei Panikreaktionen zeigte; wo nicht gerade gekämpft wurde, ging das Leben ganz normal weiter. Nirgends waren Hamsterkäufe oder gar Fluchtbewegungen zu beobachten, obwohl das österreichische Rote Kreuz schon auf Hunderttausende von Flüchtlingen vorbereitet war. Die coole, auf nationalistische Rethorik verzichtende Mobilisierungsstrategie des ministeriellen Dreiergespanns in Ljubljana hat Erfolg gehabt. Erich Rathfelder, Ljubljana