: Bleibt das Riesenrad stehen?
■ Der Kulturpark Plänterwald in Treptow zog früher Besucherinnen und Besucher aus der ganzen DDR an/ Die Zukunft des liebenswerten Rummels im Grünen ist heute sehr ungewiß
Einst war der idyllisch im Wald gelegene Kulturpark Plänterwald eine der Hauptattraktionen Ost-Berlins: Hunderttausende von Touristen aus der DDR-Provinz pilgerten in jedem Sommer mit Kind und Kegel hierher, und die traditionellen Blues-, Country- und Rock-Konzerte gab es für die in den »Kulti« ziehenden Fans praktisch zum Nulltarif. Bei auf Taschengeldniveau heruntersubventionierten Preisen konnten auch Ostberliner Kids sich das Auto-Scooter- oder Achterbahnvergnügen öfter mal leisten. In den Ferien wurden Kinder hier zudem mit Spielfesten, Artistikshows oder Clownsklamauk bei Laune und ihren Eltern vom Leibe gehalten.
Heute allerdings dreht sich das Riesenrad, von dem aus man bei klarem Wetter fast bis zum Wannsee gucken kann, immer langsamer. Das Warten macht die Unterhaltungsverkäufer müde, denn bis heute gibt es keine Entscheidung über die künftige Konzeption des derzeit senatseigenen Kulturparks. Ein baldiges Ende des Streits deutet sich jedoch an: Von insgesamt sieben Bewerbern, darunter ein japanischer Investor, die beim Kultursenat wegen des attraktiven Geländes am Treptower Spreeufer angeklopft hatten, sind offenbar nur noch zwei im Rennen. Sie müssen bis Anfang August ihre detaillierten Vorstellungen bei einer »Findungskommission« der Kulturverwaltung abgeben; am 15. September soll dann verkündet werden, wer den Zuschlag erhält. Daß es sich bei den Favoriten nicht nur jeweils um Berliner handelt, sondern beide auch noch aus den verschiedenen Hälften der wiedervereinigten Stadt kommen, gibt der Angelegenheit zusätzlich politische Brisanz.
Die 16 Hektar große Anlage, eine in Berlin einmalige Mischung aus großem Dauerrummel und Sommerkulturzentrum, war 1969 nach einjähriger Bauzeit eröffnet worden — natürlich zum »20. Geburtstag der DDR«. In den ersten Jahren pilgerten in jedem Sommer mehr als 500.000 Menschen hierher, den Besucherhöhepunkt jedoch gab es erst 1989 mit 1,3 Millionen Leuten. Die Hälfte davon kamen von weit her.
Sagenhafte 120 festangestellte Mitarbeiter und zusätzliche Saisonkräfte sorgten damals für Verwaltung, Organisation und Pflege der einbezogenen Grünanlagen. Elf der »Fahrgeschäfte«, darunter ein besonders großes Riesenrad, das erst 1989 in Betrieb genommen worden war, gehörten dem Magistrat, alle anderen standen auf unterverpachteten Flächen und wurden von privaten Schaustellern betrieben.
Mit der Wende im Osten kamen zwar auch die Westler, doch Sachsen oder Mecklenburger hatten nun vorerst anderes zu erobern. Nach nur noch 700.000 Besuchern im vergangenen Jahr wurde der Kulturpark zur Privatisierung ausgeschrieben. Da »der Senat sich offenbar nicht leisten wollte, uns gleich ganz dichtzumachen«, wie die heute amtierende Direktorin Gisela Brederlow (53) meint, wurde im Winter ein Kompromiß gefunden: 73 der Angestellten erhielten befristete Zusatzverträge bis zum 31. Oktober dieses Jahres, erst bis dahin will das Land die Einrichtung abgestoßen haben.
Der Betrieb konnte daher weitergehen, wenngleich der Eintrittspreis auf 1,50 Mark stieg und die Mittel für Kulturveranstaltungen drastisch gestrichen wurden. Der Rummelbereich wurde durch einige West-Anlagen wie »Superrutsche«, »Traumschiff« oder »Wildwasserbahn« aufgepeppt, die Fressalien wurden leckerer und Show gibt es auch noch: als nächstes am 20. Juli ab 16 Uhr eine Country-Fete, und am 24. Juli ein großes Kinderfest. Derzeit ist bis Ende September in einem Zelt die populäre »Dino«-Ausstellung aus dem Naturkundemuseum zu sehen. Und seit letzten Donnerstag pendelt sogar eine kleine Benzinbahn zwischen dem S-Bahnhof Treptow und dem Kulturpark-Eingang, der normalerweise nur durch einen längeren Fußmarsch zu erreichen ist.
Frau Brederlow, die sich selbst als »Altlast« bezeichnet, weil sie seit Anfang der Achtziger zur Leitung des volkseigenen Unternehmens gehörte, bewirbt sich auch um das Gelände. Sie glaubt, daß es »in zwei bis drei Jahren eine Goldgrube« sei. Eine GmbH will sie gründen, an der auch einige der Schausteller beteiligt werden sollen. Die Eintrittspreise, so ist eine Idee, sollen auf 10 bis 15 Mark angehoben werden, die Benutzung sämtlicher Anlagen aber kostenlos sein. Um dies realisieren zu können, stellt die Direktorin sich vor, die Geräte zu leasen. Eine Menge kleiner Bühnen soll her, »auf denen für jeden Geschmack immer was los ist«. Das ganze solle ein »Themenmischpark« werden, mit insgesamt »nicht auf Maximalprofit gerichteten« Angeboten.
Brederlow kennt allerdings auch ihren Gegner: den Westberliner Schausteller-Verband. Über dessen Vorstellungen weiß sie nichts, fürchtet aber sowohl eine grundlegende Kommerzialisierung als auch um die Arbeitsplätze ihrer Angestellten, falls die Berufsorganisation das Rennen macht. Der Personalrat Harald Lowack, früher »Sicherheitsinspektor« des Parks, beschreibt eine »gereizte Stimmung« unter den Kollegen. 75 private Schausteller und ihre insgesamt 300 Familienangehörigen und Beschäftigten seien in ihrer Existenz bedroht. Denn, so weiß der Losbuden- und Kinderkarussellbesitzer Peter Berlin (49), dann »werden die Westler doch bloß ihre eigenen Leute hier unterbringen, weil es mit dem Franzosenfest und dem Amifest bald aus ist.« Genauso wie andere östliche Betreiber zögert Peter Berlin, ob es sich bei der Unsicherheit lohne, Kredite aufzunehmen, um modernere Westanlagen einkaufen zu können.
Die Pläne des Westbewerbers wirken vor diesem Hintergrund allerdings verblüffend. Die jetzige Form, meint Richard Simmons vom Schaustellerverband, habe »so keine Überlebenschance«, denn da gäbe es »viel zuviel Rummel«. Simmons, seit Jahren Organisator des deutsch- amerikanischen Volksfests, will nicht nur alle jetzigen Angestellten übernehmen, sondern will auch den »Hauptschwerpunkt auf Kultur legen«. Auf einem Großrondell ähnlich der Waldbühne sollen direkt am Spreeufer gigantische Konzerte veranstaltet werden, in Themenbereichen wie einem Nationalitätendorf sollen ständig wechselnde Ausstellungen und Feste abgezogen werden. Die Schaustellergeschäfte sollen in Simmons' Konzeption nur noch ein Drittel der Fläche belegen. Und letzterer will der mit einer deutschen Schaustellertochter verheiratete Amerikaner, der bereits einen bekannten Architekten mit seinen Überlegungen beschäftigt, als erstes an den Kragen gehen. Die »ganze scheußliche Asphaltfläche«, auf der die Kneipen, Buden und Karussells stehen, müsse größtenteil entsiegelt werden. Simmons macht sich auch Gedanken über die Umweltverträglichkeit, denn das Gelände liegt im Wassereinzugs- und Landschaftsschutzgebiet. Vorgaben oder Auflagen des Senats, die in die Konzeption einbezogen werden müßten, fehlen dafür jedoch bislang. 1992 will er den Park ganz schließen, 1993 zur Neueröffnung müsse es dann einen gewaltigen »Aha-Effekt« geben.
Kritisch wird's nur, wo es ans Eingemachte geht: Was aus den oft seit Generationen vererbten Ostgeschäften im Kulturpark würde, ist für Simmons »eine schwierige Frage«. Die sollten zwar »eine Chance kriegen«, doch im Einzelfalle müsse überlegt werden, »ob sie nicht auch für andere Jobs eingesetzt werden können«. Viele von ihnen könnten sich ohnehin kaum noch ernähren, er kenne welche, die zwei Monate mit ihrer Pacht im Rückstand seien. Eines aber weiß der Manager schon: „Wenn Frau Brederlow nicht gewinnt, dann geben wir ihr die Chance, bei uns mitzuarbeiten.“ Catarina Kennedy-Bannier
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