: Fachzeitschrift Fremdenverkehrswirtschaft (FVW) vom 10.9.91
NEUEBUNDESLÄNDER...
Der Fremdenverkehr in den neuen Bundesländern hat in dieser Saison Tritt gefaßt. Zu diesem vielversprechenden Ergebnis kam, nach einer Meldung der 'Fachzeitschrift Fremdenverkehrswirtschaft‘ (FVW) vom 10.9.91, auch eine Delegation des Bundestagsausschusses für Fremdenverkehr und Tourismus nach einer Informationsreise durch Brandenburg und Mecklenburg- Vorpommern. Allerdings bemängelten die Abgeordneten eine „gewisse Subventionsmentalität“, fehlende Entwicklungskonzepte und Realitätsferne bei jungen, engagierten Menschen, die romantischen Vorstellungen vom Wirtschaftsfaktor Tourismus nachhingen. So mag unsere nicht ganz so junge Autorin Christel Burghoff ruhig vom autofreien Rügen träumen, den Abgeordneten ist, trotz Trendwende weg vom Massentourismus, längst klar: nur Massentourismus ist wirtschaftlich. Vor allem der CDU-Fremdenverkehrsexperte Rolf Olderog riet dazu, im Massentourismus nichts Negatives zu sehen und große Ferienzentren gutzuheißen, denn nur sie könnten der Bevölkerung ausreichend Erwerbsmöglichkeiten bieten, wenn Landwirtschaft und Fischerei dazu nicht mehr in der Lage seien.
Warum, fragt man sich da, sollten den neuen Bundesländern auch alte Fehler erspart bleiben: die Strände gehören zugebaut, die Wiesen mit Tennisplätzen zubetoniert, und für das bißchen notwendige Grün sorgen dann die großzügigen Golfplätze. Das ist professioneller Tourismus. Und erst wenn der Tourismus als Monokulturzweig mal stagniert, sehnt man sich vielleicht nach den alten Zeiten der inzwischen folkloristischen Wirtschaftszweige, die die Kassen kaum zum Klingeln gebracht hätten. Und dieser Klang ist ausschließlich Ziel und Zweck Bonner Expertenpolitik.
Mit äußerster Skepsis begegneten die Herren daher auch der zurückhaltenden Erschließungspolitik auf Rügen, dem touristischen Eldorado im Osten, gegenüber Großinvestoren mit dem üblichen Angebot von Golf, Tennis und Bettenhochburgen. Denn Tourismusfachleute wie der in Greifswald lehrende ehemalige DDR-Tourismusminister Bruno Benthin sehen die Zukunft Mecklenburg-Vorpommerns durchaus nicht im Massentourismus. Doch mit solchen Plänen hält man sich in Bonn nicht lange auf. Mit kleinen Pensionen und Vorstellungen von einem romantischem Paradies für Wanderer und Naturfreunde, rügten die Experten aus Bonn, komme man ökonomisch nicht weiter. Holzhammer, wie gehabt, ist angesagt.
Wie zitiert unsere Informationsquelle 'FVW‘ doch so schön Tourismus-Papst Krippendorfs Antwort auf die Frage, welchen Stimmen die Tourismus-Verantwortlichen in Zukunft mehr Beachtung schenken sollten: „Es sind die Stimmen, die vor kurzfristiger wirtschaftlicher Maximierung warnen. Es sind jene, die zum Schwimmen gegen den sogenannten marktwirtschaftlichen Profitstrom auffordern. Es ist die Stimme der Utopisten!“ Mit der haben die Experten aus Bonn tatsächlich wenig am Hut. Sie sprechen lieber mit Engelszungen vom raschen Profit. Edith Kresta
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