: 100 Prozent Vermeer!
■ Die taz enthüllt: In einem Mietblock zu Bremen-Huchting haust einer der größten Kunstfälscher unserer Tage / Ein echtes Portrait
Er fälscht und fälscht und ist darüber zum Original geworden: Hans-Joachim Körber (50), ein fescher kleiner Klecksel mit Rubens-Bärtchen. „Erst die Schkizze“, sagt er, „dann der Farbauftrag!“ Alles wie auf original niederländisch empfunden, alles in feinster Lasurtechnik statt aus der Tube, alles Hauch über Hauch geatmet, „so'n Spachtler bin ich keiner!“
Hat er mal „schkizziert“, sagt er, ergibt sich der niederländische Rest von selber, „hab ich ja alles automatisch drauf!“ Unter all seinen Vermeers und Ruisdaels und Murillos hockt er und strahlt, weil er, nach harten Lehrjahren, jetzt alles schafft: „jeden Holländer hundertprozentig!“ Und warum immer die Holländer? Meine Fragen auch immer. „Sind ja die größten Künstler, die der normale Mensch kennt!“
Was aber heißt schon groß vor ihm! Körber, wenn er kopiert, macht aus Prinzip nix über 40 mal 50. Da muß er so einen meterbreiten Kloben von dem alten Van de Velde eben auf das passende Kleinformat herunterzoomen. „Wo soll ich so einen sonst hinhängen?“
Auch sonst findet die Machart der Klassiker nicht in jedem Fall seine Billigung: Am liebsten nimmt er sich vom einen die Windmühle, vom andern die Schäfchenwolken, vom dritten das Personal und macht sich daraus sein eigenes Bild. Für eventuellen Sonderbedarf, z.B. Tiere, führt er eigens gutsortierte Vorlagenkarteien.
In seinem Huchtinger Freizeitkünstlerverein ist er, was Wunder, der größte Max: „Wenn da ein Anfänger meine Bilder sieht“, sagt er, „der kriegt schon Angst“. Geschlagene zwanzig Jahre hat Körber tüfteln müssen, bis er alle Tricks uns Techniken raushatte. Und jetzt also multipliziert er die niederländische Malerei mit seinem Fälschertalent hoch Fleiß: Das gibt scharenweise sonderliche Abkömmlinge, und die meisten sind Mutationen. In eine seiner bevorzugten „lieblichen Landschaften“ zum Beispiel hat er kurzerhand, zwecks Belebung, ein Sägewerk transplantiert, die Bäuerin kriegte ein Kopftuch um, und der chronische Dämmerschummer der Niederländer ist ihm sowieso ein Greuel: „Da mach ich Licht rein!“
Angefangen hat der praktizierende Lithograph mal mit „den ältesten Spitzwegen“, konnte die aber bald mit links. Mußte er also die Latte höher legen. Inzwischen vergnügt er sich auch mal gern mit fotorealistischem Vieh. Da zeigt er mir einen rotgeschwollenen Truthahn, „ganz genau mit all sei'm Schwabbelkram“, und Katzen, gemalt nach feinster niederländischer Katzenfelltechnik, alles haargenau, alles mit dem pingeligsten Rotmarderpinsel schlußveredelt.
Alle Kunst ist ihm Material für seinen großen Dauertest: Wird er, Körber, es schon wieder hundertprozentig ebenso schaffen? Manchmal kommt ein König Kunde mit ganz irren Wünschen, die sind ihm die liebsten, die bringen Delikatesse ins ewige Problem. Einer wollte einen Holländer, aber ohne jegliches Violett, Grün oder Rot, dafür nicht quer wie die Vorlage sondern hoch wie die Lücke an der Wohnzimmerwand. Hat Körber ohne Mucks hingekriegt. Für 30 Mark die Stunde, sein übliches Honorar; Sozialfälle ermäßigt. „Das is' eine Kunst“, sagt er, was ist dagegen ein Baselitz! Auf diesen blickt er mit Milde nieder. Und die hiesige Kunstszene? „Also jetzt beim
Fälscher Hans-Joachim Körber: „Ein Anfänger kriegt schon Angst“Foto: Jörg Oberheide
Bremer Kunstpreis wieder, das können doch Kinder alles auch. Die soll'n mal von dem Geld einen Kursus machen.“
Dafür hat er, das räumt er ein, „nicht diese irren Ideen“, er lebt diesbezüglich aus fremden Katalogen, aber gewiß nicht schlecht. Und wenn ihn gar nichts mehr anspornen mag, restauriert er ein paar alte Rahmen. Da findet er Frieden.
Und mal ein Bild ganz ohne Vorbild? Kommt vor, sagt er, „aber es soll ja Freizeit sein, nicht?“ Es entspannt ihn einzig, daß er so locker über seine Klassi
hierhin bitte das Foto
von dem Mann mit Brille
und Bart, links
Bilderrahmen
ker gebietet. Obwohl, dranbleiben muß er schon: „Ein halbes Jahr nix getan, und ich kann von vorn anfangen!“ Dann fällt er von seinen 100 auf schmähliche 90 Prozent zurück, vielleicht gar auf die Ebene des angeblich großen Edgar Mrugalla. Den hat jetzt ein Gericht als Meisterfälscher ausgezeichnet: mit zwei Jahren Haft. Körber hat dennoch wenig für ihn übrig: Als er „dem sein' Van- Gogh-Strich“ sah, dachte er: „Das kann ja nich' angehn!“ Jetzt stellt er mit ihm zusammen aus. Lesen Sie dazu unser ungelogenes Kästchen. Manfred Dworschak
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