: Vom Volkshelden zum Kinohelden
■ „Jagt und tötet ihn“, Sonntag und Montag im ZDF
Gerade 16 Jahre ist es her, daß Spaniens Diktator Franco das Zeitliche segnete. Während ringsum die westlichen Industriestaaten ihre liberalen Demokratien festigten, wurde in Spanien ein faschistisches Regime konserviert. Wie das geschehen konnte, ist heute noch ein Rätsel.
Auch Vincente Arandas Fernsehfilm El Lute ist kein psychologisch- soziologische Auseinandersetzung mit der Verwurzelung des spanischen Faschismus. Mit den Mitteln des konventionellen Erzählkinos rekonstruiert er Etappen im Leben des Straßenhändlers Eliuterio, der dadurch, daß er sich immer wieder der Polizei widersetzt und aus Gefängnissen ausbricht, zum Volkshelden wird. In einer Zeit, in der jeder zu kriechen hatte, verkörpert El Lute alle Tugenden, die dem Volk abgehen.
Imanol Arias spielt diesen Typen, der sich vom kleinen Hühnerdieb zum souveränen Untergrundkämpfer mausert, genau so wie man sich einen Kinohelden vorstellt. Er bekommt immer nur soviel ab, daß man sich noch gerne mit ihm identifiziert. Ab einem bestimmten Punkt wird die bruchlos spannend erzählte Geschichte, gerade wegen ihres konventionellen Strickmusters und wegen ihrer glatten schauspielerischen Umsetzung, aber beliebig. Anstelle des Kontextes rückt die filmische Spannung in den Vordergrund. Costa Gavras, der den lateinamerikanischen Faschismus in spannenden Kinobildern darstellte, hat individuelle Geschichten stets mit der Frage nach dem gesamten System verwoben. Bei Aranda ist die einzige Frage, wie El Lute aus der nächsten Falle wieder herauskommt.
Wird die Perspektive des Helden verlassen, so nur, um die zwischen Tollpatschigkeit und Hinterlist wechselnde Guardia Civil so darzustellen. Nur selten gibt es Detailstudien über die spanischen Polizisten wie die während der Flucht aus dem Zug im ersten Teil. Man möchte mehr wissen über diese Männer mit ihren umgedrehten Frolic-Näpfen auf dem Kopf, die alle gleichen Alters sind und alle das gleiche gegerbte, grimmige Gesicht haben. Ein Manko des Films, daß er nur selten die demonstrative Polarisierung zwischen Gut und Böse aufbricht und nach Motiven fragt. Statt Fragen über den ausbleibenden Widerstand des Volkes zu stellen, wird dieser Widerstand in einer Person filmisch ausgelebt. Der Regisseur übersetzt damit nur einen Volksmythos in einen Kinomythos. Manfred Riepe
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