: Wachen vor Asylbewerberheimen
Berlin (ap) — Verschiedene Menschenrechtsorganisationen stellen zum Schutz der Bewohner Wachen vor Asylbewerberheimen in Ostdeutschland auf. Bisher werden rund dreißig Wohnheime in Berlin mit „menschlichen Schutzschildern“ bewacht, wie die Präsidentin der internationalen Liga für Menschenrechte, Alisa Fuss, berichtete: „Wir wollen damit ein Zeichen setzen.“ Noch könnten die Heime nicht rund um die Uhr behütet werden. „Wir hoffen auf die Unterstützung der Bevölkerung und daß der Funke unserer Initiative auf die neuen Länder überspringt.“ Vertreter der Organisationen forderten einen Abschiebestopp von Asylbewerbern nach Ostdeutschland.
Die Evakuierung der Bewohner des Wohnheims für Asylbewerber in Hoyerswerda sei ein Sieg für die Rechtsradikalen und „alle Zuschauer, die geschwiegen haben“, meinte Klaus Pritzkuleit, Ausländerreferent der Evangelischen Kirche in Deutschland für die neuen Bundesländer. Die Betroffenen könnten vor weiteren Angriffen nicht geschützt werden, wenn „man sie versteckt“.
Die gegenseitige Schuldzuweisung der Politiker setzte sich gestern fort. Scharfe Kritik an Sachsens Innenminister Rudolf Krause äußerte die designierte Ausländerbeauftragte der Bundesregierung, Cornelia Schmalz-Jacobsen. In einem Gespräch mit dem 'Stern‘ sagte sie: „Krause hätte dafür sorgen müssen, daß die Polizei die Ausländer schützt. Aber in Sachsen schaut man lieber weg, dort behaupten Regierungsmitglieder sogar, es gebe gar keinen Rechtsradikalismus.“ Auf die Frage, ob vorerst keine Asylbewerber mehr in die neuen Länder geschickt werden sollten, meinte Frau Schmalz-Jacobsen: „Das kann man nicht machen. Die Innenminister in den neuen Ländern müssen dafür sorgen, daß ihre Polizei bei Gewalt gegen Ausländer eingreift.“
SPD-Fraktionschef Hans-Jochen Vogel warnte die CDU/CSU, die Öffentlichkeit weiter zu emotionalisieren. Der SPD-Politiker appellierte mit Blick auf das Spitzengespräch bei Bundeskanzler Helmut Kohl am Freitag an die Union, die von ihr „angeheizte Scheindiskussion“ über eine Änderung des Grundgesetzes unverzüglich zu beenden.
Wenn die Union die Öffentlichkeit weiter mit der Behauptung „täuscht und emotionalisiert“, ohne eine Änderung des Artikels 16 lasse sich dem Mißbrauch des Asylrechts nicht wirksam entgegentreten, „schürt sie die Ausländerfeindlichkeit und arbeitet unmittelbar den Rechtsradikalen in die Hände“, sagte Vogel. CSU-Landesgruppenchef Bötsch wies diesen Vorwurf als „Unverschämtheit“ zurück. Der Bundestag will sich heute mit den Vorfällen in Hoyerswerda befassen.
Der französische Politik-Wissenschaftler Alfred Grosser bezeichnete die Übergriffe von Rechtsextremisten auf Ausländer in Deutschland als „barbarisch“. Ein Wiederaufleben des deutschen Faschismus sehe er allerdings nicht, sagte er im Südwestfunk. Der Politologe empfahl Gesetzesänderungen mit dem Ziel, die Eingliederung von Ausländern zu erleichtern. „Ein Türken-Junge, der in Deutschland geboren wurde und nur deutsch spricht, sollte auch ohne Probleme deutscher Staatsbürger werden können.“ itz
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