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Asylrecht

■ betr.: "Die SPD will schneller abschieben", taz vom 21.9.91

betr.: „Die SPD will schneller abschieben“, taz vom 21.9.91

Die Vorschläge zur Einschränkung des gerichtlichen Rechtsschutzes, die aus der SPD heraus nun gemacht werden, muß man als Verfassungsfreund ablehnen. Denn sie greifen in das Asylrecht für politisch Verfolgte ebenso ein wie eine Einschränkung dieses Rechtes selbst. Sozialdemokratische Juristen können das wissen. Die Asylbehörden benötigen das Gefühl, daß ein abgelehnter Asylbewerber immer noch den unabhängigen und neutralen Richter anrufen kann, denn sonst steht das Asylrecht bald nur noch auf dem Papier. Gerichtlicher Rechtsschutz ist ein Grundrecht, das nach Artikel 19 allen zusteht. Richard Schmid hat dieses Grundrecht die „Magna Charta des Rechtsstaates“ genannt. Wer damit beginnt, Menschengruppen aus dem gerichtlichen Rechtsschutz herauszunehmen, schafft damit gefährliche Einbruchstellen für die spätere Entrechtung immer weiterer Personenkreise.

Auch die übrigen Vorschläge, die sich auf die Rolle der Gerichte im Asylverfahren beziehen, sind hanebüchen. „Schnellverfahren“ von „Grenzrichtern“ mit abgekürzten Klagefristen, gar schon parallel zum Verwaltungsverfahren der Behörde laufend, das sie überprüfen sollen — all dies und ähnliches sind Vorstellungen, die mit gerichtlicher Neutralität und Wahrheitsfindung absolut unvereinbar sind. Eine derartige, den Gerichten auferlegte Wirkungsweise ist vielmehr ein dauernder Appell an den inneren Schweinehund im Richtermenschen, nur ja reibungslos zu funktionieren. Man müßte hoffen, daß sich keine Richterin und kein Richter in ein Grenzlager versetzen ließe.

Bei den Vorschlägen, das Asylrecht durch Änderung des Grundgesetzes zu europäisieren, vermisse ich die vorherigen Bemühungen der Politiker um einen entsprechenden Zustand des Europarechts und des wirklichen Vorgehens in den Nachbarländern. [...] Die Länder der EG und die EG selbst müssen mindestens die Standards der Genfer Flüchtlingskonvention festgeschrieben haben (Bleiberecht bei Gefahr für Leib und Leben). Sonst ist auch die verfassungsrechtliche Vollmacht für Europa zu einer Gesamtlösung nur die versteckte Abschaffung des Asylanspruches für politisch Verfolgte. Klaus Beer,

Richter am Landgericht

Stuttgart

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