: Drogendesigner — Beruf mit Zukunft!
Gelsenkirchen (taz) — Überall in deutschen Wohnungen und Kellern brutzelt es in geheimen Labors. Schüler, Chemiestudenten und Apotheker ernten verbotene Früchte: Designer Drugs. Letzte Woche veranstaltete der Landschaftsverband Westfalen-Lippe einen Fachkongreß zum Thema neue Drogen.
Klaus Mellenthin vom Landeskriminalamt Baden-Württemberg sieht eine neue, gefährliche Drogenwelle auf uns zurollen. Immer professionellere Laboratorien versorgen den wachsenden Markt. Dabei haben die Konsumenten des „hochgefährlichen Rauschgifts“ oft gar kein traditionelles Drogenbewußtsein, sie halten ihre Designerdrogen eher für leistungssteigernde Medikamente. Gerade junge Konsumenten stehen Alkohol, Haschisch oder Heroin ablehnend gegenüber, bieten ihnen Designerdrogen doch einfach mehr: Sie sind Drogen der 90er, stimulierend, wirkpotent, billig, gut verfügbar, angeblich sauber, gut dosierbar und vor allem noch nicht so stigmatisiert wie die alten Rauschgifte, die „Downer“. In Wirklichkeit läßt die Reinheit vieler unfachmännisch gebastelten Designerdrogen zu wünschen übrig, und Überdosierungen mit teils tödlichem Ausgang hat es aufgrund unklarer Qualität und Dosis auch schon gegeben.
Damit die neue Drogenwelle nicht die letzte bleibt, setzt Kripo-Mann Mellenthin auf Altbekanntes: Das Betäubungsmittelgesetz muß verschärft werden, neue Drogen müssen viel schneller auf die Verbotsliste kommen. Eine entsprechende Gesetzesänderung liegt bereits vor. Vor allem müsse aber das positive Image der Designerdrogen zerstört und Drogen wie Konsumenten stigmatisiert werden. Jegliche Liberalisierung von Drogen, wie sie heute von vielen Drogenberatern zur Entschärfung des Rauschgiftproblems diskutiert wird, lehnt Mellenthin ab.
Die Pharmakologin Dr. Ute Grausam versuchte den Begriff Designerdroge genauer zu umreißen. Designedrogen stellen keine chemische Stoffklasse dar, sondern sind eher als Sammelbegriff neuer synthetischer Drogen zu verstehen. Als Vorbild dienen den Untergrundchemikern dabei bekannte Drogen oder Arzneimittel, die sie so modifizieren, daß die neuen Stoffe nicht vom Betäubungsmittelgesetz (BTM) erfaßt werden. Die neu designten Drogen weisen zudem meist eine größere Wirkstärke und eine längere Wirkdauer auf. In ihrer eigentlichen Wirkung sind sie den alten Drogen sehr ähnlich. Auf dem Markt findet man drei unterschiedliche Gruppen von Designerdrogen. Die meistverbreitetsten neuen Drogen haben eine stimulierende Wirkung und sind Amphetamin-Abkömmlinge. Hierzu zählen auch Stoffe, die bereits seit geraumer Zeit illegal sind, wie MDA, MDMA (Ecstasy), DMA und STP. Die zweite Gruppe besteht aus halluzinogenen Drogen, die mehr oder weniger Verwandte von LSD und Tryptaminen sind. Wenig beliebt ist die Gruppe der Morphin-Abkömmlinge, die neben einer euphorisierenden vor allem eine zentral dämpfende Wirkung zeigen. Ein Extrembeispiel für die letzte Gruppe ist das Methyl Fentanyl, das aus dem starken Schmerzmittel Fentanyl-Janssen abgeleitet wurde und eine 5.500fache Morphinwirkung aufweist.
Manchmal stoßen die Drogendesigner auf interessante neue Drogen wie zum Beispiel BDB, das in den USA zur Behandlung psychisch Kranker eingesetzt wird. Wie auch MDMA bewirkt BDB, daß sich die Patienten leichter öffnen und plötzlich über ihre Probleme reden können. Dr. Grausam will die neuen Modedrogen nicht pauschal verurteilt wissen, „manche Designerdrogen können in den Händen verantwortlicher Therapeuten und Ärzte durchaus von Nutzen sein. Warum können Designerdrogen von heute nicht nützliche Arzneimittel von morgen sein, zumal einige von ihnen schon heute viele legale Geschwister haben?“ In vielen Grippemitteln und Appetitzüglern finden wir Amphetamine oder Amphetamin-Abkömmlinge. Um der Verschreibungspflicht zu entgehen, betreiben die Chemiker in der Arzneimittelindustrie ebenso wie die Untergrundchemiker Drug Design. Verschreibungspflichtige Amphetamine werden so abgewandelt, daß sie wieder frei verkauft werden können, ohne allerdings ihre stimulierende Wirkung verloren zu haben. Viele Konsumenten horten unglaubliche Mengen solcher Appetitzügler als Drogenersatz.
Wie soll man in der Drogenberatung auf die neuen Designerdrogen reagieren? Erik Frommberg vom Niederländischen Institut für Alkohol und Drogen beschrieb den holländischen Weg, dem ein völlig anderes Drogenbewußtsein als in Deutschland zugrunde liegt. Statt auf Verbote und Stigmatisierung setzt Holland auf Information. Faltblätter und Drogentelefone informieren die potentiellen Konsumenten über die verschiedenen Drogenwirkungen.
Frommbergs Meinung nach wird die Gefahr von Amphetaminen und auch LSD weit überschätzt. Holländische Studien zeigen, daß nur ein extrem kleiner Kreis von Konsumenten Probleme mit LSD hat. Auf 10.000 LSD-Trips kamen etwa vier Problemfälle, bei denen in der Regel bereits vor der Drogeneinnahme eine Psychose vorgelegen hat. Bei der verbreiteten Designerdroge Ecstasy sei bislang kein einziger Suchtfall bekannt.
Dies erklärt auch, warum Konsumenten von Designerdrogen nur in seltenen Fällen traditionelle Drogenberatungen aufsuchen. Sie haben keine Probleme mit ihrem Drogenkonsum und suchen dementsprechend keine Therapie. Sie suchen auch keine Beratung, die sich an Süchtige wendet und sie vom Drogenkonsum abbringen will, sondern wertneutrale Informationen über Risiken. Die Entscheidung und damit auch die individuelle Verantwortung für oder gegen Drogenkonsum bleibt beim Konsumenten. Abhängigkeit, echte Schäden oder gar Todesfälle durch Designerdrogen sind extrem selten. Die meisten Konsumenten können die Drogen konsumieren, ohne dabei Schaden zu nehmen.
So sieht Frommberg in den Designerdrogen auch keine spezielle Herausforderung an die Drogenberater, sondern eher eine Herausforderung an die Politik, die durch ihre Rahmenbedingungen ganz maßgeblich die Qualität der Drogen und damit auch das Risikopotential bestimmt. In Holland spielen Designerdrogen bislang keine große Rolle, da herkömmliche Drogen weitaus weniger stigmatisiert sind. LSD ist in guter Qualität preisgünstig zu bekommen. Warum sollte der Konsument da auf unsichere neue Drogen umsteigen? Erst die repressive Verfolgung traditioneller Rauschmittel heizt den Markt für immer neue Designerdrogen an.
Während die Konsumenten entkriminalisiert werden, werden die Drogenkartelle in Holland nicht nur polizeilich bekämpft, sondern ihnen wird auch durch die Liberalisierung der Boden unter den Füßen weggezogen. So wird in den Niederlanden der Anbau von bis zu zehn Cannabispflanzen nicht mehr geahndet. Die Folge ist, daß immer mehr Coffeeshops, in denen Marihuana erstanden werden kann, von einheimischen Hobbygärtnern versorgt werden und der organisierte internationale Marihuanahandel entsprechend zurückgeht.
Der Gebrauch von Drogen kann also auch ohne Kriminalisierung der Konsumenten gut reguliert werden. Welche Macht eine konsequente Informationspolitik haben kann, zeigt der deutliche Rückgang des Tabakkonsums in der westlichen Welt, der ohne Verbote erzielt werden konnte. Michael Karus
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