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Was tun gegen Gewalt von rechts?

■ Entsetzen und Ratlosigkeit gegenüber dem Ausländerhaß einen Tag nach dem Brandanschlag

In der Schwachhauser Heerstraße 110 ist einen Tag nach dem Brandanschlag wieder der Alltag eingekehrt. In der Nachbarschaft des Hauses, an dem Unbekannte in der Nacht von Mittwoch auf Donnerstag Feuer gelegt hatten, werden wieder Vorgarten-Beete geharkt. Von den Tätern, die wegen schwerer Brandstiftung gesucht werden, fehlt noch jede Spur. 23 Menschen schliefen zur Zeit des Überfalls in dem Haus.

Kinder stehen ehrfurchtsvoll vor dem Eingang, sie ahnen, daß hier etwas Besonderes passiert ist. Sie kennen die Villa als „Drogenhaus“, von dem sie sich fernhalten mußten. Jetzt, wo keiner mehr darin wohnt, stehen sie im Vorgarten und drucksen herum. Sagen wollen sie nichts, nein, „frag' meine Mama.“

Hin und wieder hält ein Auto, jemand steigt aus, hält seine Video- oder Kleinbildkamera auf das rußgeschwärzte Fensterloch. Das Ungeheuerliche wird für das Familienalbum festgehalten.

Der Freitag danach, das ist der Tag der Erklärungen. Ortsamtsleiter Arnold Müller ist entsetzt, „seine“ Schwachhauser seien nie „so“ gewesen. Mit den Drogenabhängigen und den Dealern habe man im Stadtteil Probleme, mit Ausländern generell nicht. „Das Ortsamt hat sich nie gegen die Aufnahme von Asylbewerbern gesperrt“, sagt Müller. In Schwachhausen leben 38.714 Menschen, in acht Häusern leben knapp 200 Asylbewerber.

„Was da passiert ist, ist ein Verbrechen krimineller Elemente“, erklärte CDU-Beiratssprecher Bernhard Hose. Ein „Flächenbrand“ sei ausgebrochen, der auch vor Bremen nicht halt mache. „Was man dagegen tun kann, weiß ich auch nicht“, gesteht er ein. Sein Parteifreund aus der Bürgerschaft, Helmut Pflugradt, beschwört die Hilflosigkeit etwas wortreicher: „Die CDU erwartet, daß alle nur möglichen Maßnahmen ergriffen werden, damit sich solche Taten nicht wiederholen... Sie erwartet allerdings auch, daß Taten erfolgen, um den Mißbrauch des Asylrechts zu beenden.“

Grüne und SPD befestigen Solidaritätstransparente vor dem Haus. Die SPD-Ortsvereinsvorsitzende in Schwachhausen, Ulrike Hövelmann, spricht von dem Anschlag als „versuchtem Mord“. Wie viele andere glaubt auch sie nicht, daß die Täter aus Schwachhausen kommen: „Das saturierte Bürgertum hat da mit Rechtsanwälten andere Möglichkeiten,“ sagt sie. In einer gemeinsamen Erklärung der drei SPD- Ortsvereine vor Ort heißt es: „Wir werden uns um neue Konzepte des sozialen Miteinander bemühen müssen“.

Die Grünen stellen sich „bewußt auf die Seite derer, denen dieser Anschlag auf ihr Leben galt“. Ihr Beiratsmitglied Arendt Hindriksen hatte sich am Donnerstag im Haus umsehen wollen und hat jetzt eine Anzeige wegen Hausfriedensbruchs am Hals. Der Hausverwalter hat ihn angezeigt, weil der Grüne ihm eine DVU-Gesinnung nachgesagt hatte. „Die Reaktionen sind beschämend“, sagt Hindriksen.

Der innenpolitische Sprecher der FDP-Bürgerschaftsfraktion, Friedrich van Nispen, nennt den Anschlag „eine Schande für Bremen“. Drakonische Strafen fordert er, „um die Welle der Nachahmungskriminalität zu brechen“, und er fordert die Änderung des Asylrechtes.

Auch bei der Polizei ist man ratlos. Bereits am Mittwoch hatten Ausländer, die in Schwachhausen leben, gezielte Drohungen von Rechtsradikalen bekommen. Der stellvertretende Revierleiter des 7. Polizeireviers, Henning Vajen, kündigt an, die Häuser der Asylbewerber stärker zu schützen. Wie, will er nicht verraten, das sei Teil der Taktik. Auffällig sei der Stadtteil in Sachen Rechtsradikalismus nie gewesen. „Zwei, drei Vorgänge in den letzten Monaten“, erinnert Vajen sich, sonst nichts.

Dagmar Lills Erklärung ist der Gipfel der Hilflosigkeit. Die Leiterin der Zentralstelle für die Integration zugewanderter Bürgerinnen und Bürger fordert Mahnwachen und permanenten Polizeischutz für die Häuser, in denen Asylbewerber leben. Lills Erklärung gipfelt in einem Aufruf an die Bremer, die „immer noch vorhandenen ... DVU-Plakate zu entfernen“. Kommentar Lill: „Es war ein Einzelfall, doch er darf sich nicht wiederholen.“ Markus Daschner

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