: Grabowski kann die Zwiebel kaufen
Nach dem 2:1 beim VfB Stuttgart hat Eintracht Frankfurt endgültig die Bundesliga-Lederhosen an ■ Aus Stuttgart Peter Unfried
Das war ein Jubel im Neckarstadion! Fünf Minuten nach Spielende klopften sich die 60.000 begeistert auf die Schenkel, denn Kunde von der großen Tat der kleinen Kickers im fernen Bajuwarenlande ward ihnen via Anzeigetafel zuteil. Da war es hurtig verschmerzt, daß der Meisterschaftskandidat und Tabellenzweite VfB gegen den Meisterschaftskandidaten und Tabellenführer Eintracht Frankfurt gerade knapp aber verdient verloren hatten. Vorgestern war die Bayernmetropole nämlich noch Nabel der germanischen Fußballwelt und die Bayern zu schlagen allemal das Salz in einer ansonsten eher faden Bundesligasupp'n.
Klar wollte die Eintracht mal wieder gerne Meister werden, doch wenn's jemand einunddreißigmal nicht geschafft hat, warum dann ausgerechnet beim zweiunddreißigsten Versuch? Und der VfB? Logisch nimmt der sich alle Jahre wieder fest vor, sich diesmal aber nicht vom nächstbesten Aufsteiger/Absteiger/ Newcomer/Oldtimer aus der Meisterschalenbahn werfen zu lassen, aber bitte, wenn's nicht klappt...
Und jetzt? Die Lederhosen sind nicht nur an-, sondern fast schon abgeschlagen, das trifft die Zunft hart. Erstens ist die beste Ausrede, nämlich daß die Münchener einfach zu gut seien, dahin, und zweitens ist Bundesliga ohne den Superfiesling wie, wie, wie — Tennis ohne Boris. Es fehlt nicht irgend etwas, sondern Wesentliches.
Da konnten die Herren Stepanovic und Daum noch so sehr den Tag der Hyperbel proklamieren, es war und blieb ein Spiel zweier guter Mannschaften gegeneinander. Das war es dafür in jedem Fall. Daß die Frankfurter gewannen, hatte zwei Gründe, die beide mit Andi Möller zu tun hatten. Zum einen mußte dessen Gegenspieler Uwe Schneider zur Halbzeit mit einer Zerrung passen, sodaß mit Buck der schnellste Schwabe zur Beschattung des größten deutschen Sprinttalents seit Christian Haas abberufen werden mußte — und damit für die strategisch wichtigen Blitzangriffe in den Rücken der gar nicht so sicheren Eintracht-Abwehr ausfiel. Zum anderen sorgte der schlaue Abiturient für Sammers vorzeitigen Abgang, als er ihn zu einer Sense animierte. „Clever herausgeholt“, bescheinigte lobend Chrissie Daum.
Doch nicht Möller, sondern Matze Sammer zeigte, daß er der perfekte Fußballer ist. Er allein machte die VfB-Führung: Wie Wimmer einst hechelte er an Studer heran, wie ein ehemaliger Rasenmäher und jetziger Bundestrainer fuhr er ihm zwischen die Kickschuhe, und wie dessen kaiserlicher Vorgänger zelebrierte er den Ball auf die Brust des winkenden Gaudino. Als Rekonvaleszent Sammer laufen konnte, war der VfB die bessere Mannschaft, als er nachließ, lief das Spiel auf Unentschieden zu. Erst nach seinem gelbroten Abgang wirbelten die Frankfurter wie eine Klassemannschaft, und Präzisionspasser Uwe Bein servierte Chancen im Minutentakt. „Unser Ziel ist der UEFA-Cup“, sagte ein gefaßter Christoph Daum hinterher, „ich gratulierte Eintracht Frankfurt, einer großartigen Mannschaft und einem noch großartigerem Trainer.“ Der solcherart Belobigte zeigte sich zufrieden: „Wir waren 60 bis 70 Minuten am Ball und am Drücker.“ Dann küßte der gelernte Zigarilloraucher Stepanovic seine Frau im Stile eines Meistertrainers. „Drago, die warten auf dich“, sagte die Stepanovicova, und aus dem Off drangen Töne aus Händels Messias.
Ja, soll denn die Eintracht Meister werden? Steppi scheint ziemlich zuversichtlich zu sein und Siegestorschütze Anthony Yeboah ist sich „100prozentig sicher“. Daher Memo an Jürgen Grabowski: So langsam aber sicher an einer Rede feilen, einen offenen Brief im 'Kicker‘ vorbereiten, mit Haussekt Marke „Jürgen Grabowski“ anstoßen üben, Zwiebeln kaufen (Tränen der Rührung), Frau namens Italia heiraten!
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen