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4. Bremer Off-Festival

■ Die unabhängige Musikszene: kein Eintritt, keine Gage, viel Publikum

BremerInnen akzeptieren offensichtlich die eigene Musikszene. Waren am Sonnabend etwa 600 BesucherInnen im gutgefüllten Schlachthof bei „Trends 91“, so konnten die Veranstalter des 4. Bremer Off-Festivals im Hastedter Wehrschloß am Freitag und Samstag ebenfalls jeweils knapp 500 Interessierte zählen.

Das Off-Festival ist inzwischen zu einer festen Einrichtung innerhalb der unabhängigen Musikszene geworden. Es bietet weitgehend unbekannten und unerfahrenen Bands die Möglichkeit, sich vorzustellen.

Das Besondere dabei: Es geht ausschließlich um die Musik. Da das Publikum keinen Eintritt zahlen muß, spielen die Musiker ohne Gage und arbeiten darüber hinaus auch bei der Organisation und hinter den Theken mit. Das ebenso simple wie relativ unaufwendige Konzept sorgt für einen regen Austausch innerhalb der Bremer Musikszene. Nach einem Aufruf in den Stadtblättern meldeten sich über 20 Bands bei der Veranstaltergruppe, die aus WehrschloßbesucherInnen, Gruppenmitgliedern und Sozialpädagogen gebildet wird.

Die Beschränkung auf zwanzig Acts hatte zeitliche Gründe, mehr hätten die Aufnahmekapazität des Publikums gesprengt. Auf jeden Fall war auch diesmal ein weiterer Zwischenschritt der Bremer Musikszene ablesbar. Um es von vornherein zu sagen: Ein prägnanter Meilenstein war nicht zu entdecken. Dafür gab es nette Bandnamen (Adelheid Streidel Experience, Verklemmte Klempner, Die Nerven) und einen gewissen Trend zum Psychedelischen. Heulende Gitarren allenthalben, infernalische Rhythmusteppiche und manische Gesänge prägten den Sound so mancher Band. Neben einigen Formationen, die gelinde als musikalischer Schrott bezeichnet werden dürfen, gab es aber auch Lichtblicke. Harmonizer gehörten dazu, die Ex-Dustbin-Leute sind wesentlich kompakter geworden, und auch Das Krach, die ihrem Namen alle Ehre machten. Ihr Noise-Konzept ist entwicklungsfähig.

Den Vogel schoß jedoch ein Einzel-Performer allererster Güte ab, der eigentlich gar nicht vorhat, groß herauszukommen. Der Mann heißt schlicht Heinz und stellte sich ganz allein hinter seinen kleinen Computer, der mit kleinen Rhythmus-Tracks programmiert war. Dazu spielte der Musiker im Karohemd E-Gitarre oder Posaune und sang. Billy Bragg hätte grüßen können, aber Heinz hat offenhörlich eigene Vorstellungen. Wer so gekonnt falsch singen kann und dazu lediglich eine Standtrommel anschlägt („Help“ von den Beatles), der weiß ganz genau, was er tut. Ein völlig verrücktes Dancefloor- Stück entpuppte sich plötzlich als Lucy in the sky with diamonds, nett arrangiert und im Stile eines souveränen Entertainers moderiert. Kein Wunder, daß jemand rief: „Geile Kapelle.“ Cool J.F.

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