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Jazz auf Waschmaschine

■ Frank Zappas „Make a Jazznoise here“

Der Satz haftet dem Mann an wie das Klo-Poster: „Jazz is not dead — it just smells funny.“ (Jazz ist nicht tot, er riecht nur so komisch.)

Schlecht eingemessene Ohren hören ihn als Verdikt Frank Zappas über eine ganze Musikgattung. Dabei deutet schon die Umgebung auf Parodie: Zappa entfährt dieser Satz, während im Hintergrund ein ausgewiesener Jazzmusiker, George Duke, ein paar Herbie-Hancock-Akkorde auf dem E-Piano verstreut. Das ist die Einleitung zum Bebop Tango, live mitgeschnitten 1973/74 für das Doppelalbum Roxy & Elsewhere.

Nein, mit dem Stock Zappa ist der Jazz nicht zu schlagen, die klingende Praxis spricht dagegen. Warum sonst hätte er Jean Luc Ponty, Dave Samuels, Archie Shepp, Randy & Michael Brecker beschäftigt? Warum sonst hätte er jüngst Eric Dolphy gelobt (und ihm schon 1970 ein Memorial Barbeque geschrieben)? Auch Norbert („Zappalog“) Obermanns, der unschlagbare Archivar aus Grevenbroich, weiß aus seinem Archiv keine wirklich jazz- kritische Aussage Zappas herauszuziehen. Nein, was Zappa liebt, das parodiert er. Und auch das sollte man nicht als durchgängiges Motiv verstehen. Denn wer Zappas neues Doppelalbum Make a Jazznoise here rein als Parodie hörte, brächte sich um die Hauptsache — es ist seine jazzigste Musik seit langem, saugut und ,amtlich‘ gespielt, wie es in der Szene immer dann heißt, wenn genre-typische Eigenschaften exakt getroffen werden.

Walt Fowler, Bruce Fowler, Paul Carman, Albert Wing und Kurt McGettrick spielen ihre Soli, wenn auch nicht mit großer Individualität, so doch mit bestechender Kompetenz. Manchmal swingt's, überwiegend aber liegen Rock-Metren darunter, Zappa-tpyisch 3er-, 5er-, 7er- Takte, gelegentlich auch von jeder Betonungsordnung befreit: free.

Fowler & Co. sind die Bläser aus Zappas letzter Tournee-Mannschaft Broadway the Hard Way (1988), der besten unter den guten Zappa-Besetzungen. Die Musiker der insgesamt zwölfköpfigen Band hatten, da Notenpapier bei Zappa auf der Bühne verpönt ist, ein Repertoire von 120 Stücken im Kopf(!), aus dem Abend für Abend ein anderer Ausschnitt gespielt wurde. Und hätten sie sich besser mit ihrem Kollegen am Baß, mit Scott Thunes, verstanden, hätten auch die Fans in Kalifornien und nicht nur die in Europa und dem Nordosten der USA diese Supertruppe live erlebt. Mit Thunes wollten Fowler & Co. nicht mehr weiter, Zappa nicht ohne ihn. Die Tournee mußte abgebrochen werden, Zappa hat sie nach eigenen Angaben mit einem Verlust von 400.000 US-Dollar abgeschlossen.

47 Stücke aus dem damaligen Live-Fundus hat er inzwischen veröffentlicht, Make a Jazznoise here ist die jüngste Lieferung mit 25 weiteren. Zappa läßt dabei nicht nur die Bläser von der Leine, sondern auch — was die Gesamtbilanz eher trübt — eine Menge Sprachmüll aus dem Snyclavier, billige Gags, im Gegensatz zum raffinierten Spiel mit Zitaten. Am ausgelassensten treiben sie es in Big Swifty, wo sie Carmen mit dem Vorspiel aus dem dritten Akt von Lohengrin kreuzen. Weitere Zitate: der königliche Marsch aus Strawinskys L'Histoire du Soldat und das Thema aus Bartoks Drittem Klavierkonzert.

In der Hauptsache tunkt Zappa eigene Stücke aus mehreren Jahrzehnten in ein scharfes Jazzrock-Fondue. Schon rein handwerklich kommt aus dem Rocklager niemand da heran, quer liegt diese Musik auch zum gegenwärtigen Jazzrock, ja Make a Jazznoise here bestätigt auf faszinierende Weise das alte Zappa-Theorem von der conceptual continuity.

Zappas Musik, das ist in hohem Maße ein Bezugssystem in sich selbst, ein eigener Mikrokosmos. Die Grundzüge, sagt er, habe er 1962/63 gelegt. Zappa ist Komponist in unterschiedlichen Stilen, er hat ein Netz von typischen Elementen geknüpft, die immer wieder in neuer Beziehung zueinander stehen. Im Grunde wird bei ihm nichts alt, da gibt es ständig Rückgriffe und Vorgriffe auf das Material, Live- und Plattenrepertoire sind nur teilweise identisch.

Daher kommt die ,Waschmaschinen-These‘: Man kennt den Inhalt, aber vor dem Guckfenster erscheinen die einzelnen Teile immer wieder in anderen Zusammenhängen und — je nach Waschzusatz — anderen Färbungen. So kommt King Kong, zuerst veröffentlicht 1969, jetzt auf einem Reggae-Rhythmus daher. Oh No (1970), auf 5/4- und 7/4-Takten superakkurat gespielt, klingt immer noch frisch.

Am frappierendsten ist die stilistische Metamorphose bei Dupree's Paradise. Es gehört zu den Zappa- Werken, die Pierre Boulez 1984 mit seinem Ensemble Intercontemporain aufgeführt hat, im Zweifelsfall also ein Stück moderner Kammermusik. Jetzt ist es völlig anders instrumentiert, es enthält u.a. eine Swing-Passage, Trompeten- und Posaunen-Soli, eine metallische Bluesphrase — und bleibt doch unverwechselbar Dupree's Paradise.

Make a Jazznoise here ist überwiegend instrumental, Zappa hat keinen Schongang gewählt — alle anderen Teile aus der Broadway the Hard Way-Tournee haben sich bisher besser verkauft.

Michael Rüsenberg

Frank Zappa: Make a Jazznoise here. Intercord/Zappa Records 973741

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