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„Schlanke Anstalt“ Brandenburg will Mitglied der ARD werden

■ In Potsdam konstituierte sich der Rundfunkrat/ Kirchenmann zum Vorsitzenden gewählt/ Finanzausgleich beantragt

Berlin (taz) — In Potsdam-Babelsberg hat sich am Samstag der Rundfunkrat der Landesrundfunkanstalt in Brandenburg konstituiert. Zum Vorsitzenden des höchsten Entscheidungsgremiums wählten die Ratsmitglieder den Vertreter der evangelischen Kirche in Brandenburg, Lutz Borgmann. Seine Stellvertreterin ist die Vertreterin der Frauenverbände, Angelika Mieth, Dozentin an der Hochschule für Film und Fernsehen in Potsdam. Nach den Bestimmungen des sogenannten Vorschaltgesetzes wurde der bisherige Gründungsbeauftragte Friedrich-Wilhelm von Sell automatisch zum Gründungsbeauftragten ernannt. Mit der Sitzung, so von Sell, schlug die Geburtsstunde für den föderalen Rundfunk in Brandenburg.

Das Gremium beschloß den Beitritt des brandenburgischen Rundfunks zur ARD. Mit knapper Mehrheit wurde ferner nach einer heftigen Diskussion die Teilhabe am ARD- Finanzausgleich beschlossen. Dies hatte von Sell zuvor in einer programmatischen Rede gefordert. Er unterstrich vor allem den Primat der Kultur und kritisierte Vorstellungen, die den öffentlich-rechtlichen Rundfunk allein nach ökonomischen und betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten beurteilen.

Über die Frage, ob die Landesrundfunkanstalt den ARD-Finanzausgleich in Anspruch nehmen solle, hatte es im Vorfeld erhebliche politische Auseinandersetzungen gegeben, die bis weit in die Spitzen der Landespolitik geführt wurden. Selbst der sonst zurückhaltende Ministerpräsident Stolpe hatte sich in die Diskussion eingeschaltet und sich vor den Gründungsbeauftragten gestellt. Vor allem der Vorsitzende der SPD-Landtagsfraktion, Wolfgang Birthler, hatte mit seinem Modell einer „schlanken Anstalt“, die sich ausschließlich aus den Rundfunkgebühren und der Werbung finanzieren soll, den Verzicht auf den von Experten geforderten 70-Millionen- Ausgleich gefordert. Insgesamt rechnet der 24köpfige Rundfunkrat für 1992 mit einem Gesamtetat von 218,7 Millionen Mark, davon 128 Millionen aus den Gebühreneinnahmen.

Gespannt darf man nun auf die Reaktion der ARD sein, denn seitdem die Neuordnung der ostdeutschen Rundfunklandschaft auf dem Plan steht, hat die Arbeitsgemeinschaft immer deutlich gemacht, daß sie keine Anstalten für sinnvoll hält, die auf den Tropf des Finanzausgleichs angewiesen sind. Bis zum Redaktionsschluß war keine Stellungnahme des ARD-Vorsitzenden Nowottny zu bekommen. Doch kann man davon ausgehen, daß dem Beitrittsersuchen der Brandenburger wohl entsprochen werden wird. Allein bei den Verhandlungen werden heftige Auseinandersetzungen erwartet.

Vordringlichstes Ziel des neuen Rundfunkrates ist die Wahl eines Intendanten, denn bereits ab Anfang des nächsten Jahres will der Brandenburgische Rundfunk vom ehemaligen DEFA-Gelände in Potsdam Babelsberg auf Sendung gehen. Die Ausschreibung des Chefpostens läuft am 25. Oktober aus. Ungeachtet der Tatsache, daß schon einige Bewerbungen vorliegen, wurde eine 7köpfige Findungskommission eingesetzt, die nicht nur Empfehlungen für die Wahl des künftigen Intendanten erarbeiten, sondern gegebenenfalls weitere Kandidaten ansprechen soll.

Die Spekulationen um den zukünftigen Intendanten gehen indes weiter. So wird immer wieder der Name des Chefredakteurs des WDR, Fritz Pleitgen, genannt. Pleitgen hatte der taz gegenüber mit der Begründung, er sei ein Mensch des Programms, bereits abgewinkt. Neben dem DFF-Intendanten Michael Albrecht wurde auch der Name Hans- Jürgen Rosenbauer genannt. ks.

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