piwik no script img

Schrittmacher statt Windeln

■ Blasenstimulatoren sollen unkontrollierten Urinverlust stoppen

Die Patientin liegt bäuchlings auf dem Operationstisch. Aus der Operationsöffnung auf ihrem Rücken kurz oberhalb des Steißbeins ragen drei Nadeln. Vorsichtig setzt Professor Udo Jonas eine nach der anderen unter schwachen Strom. Bei der zweiten Nadel zieht sich der Analbereich der Patientin deutlich zusammen. „Die liegt richig“, stellt Jonas befriedigt fest. Durch Stromimpulse werden Spinalnerven gereizt, die die Blasenmuskeln steuern.

Jonas, Urologe an der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH), implantiert mit geübten Handgriffen einen Blasenstimulator, den manche Kollegen flapsig „Blasenschrittmacher“ nennen. Der Apparat soll den unkontrollierten Ausfluß von Urin stoppen. Mit dieser für Deutschland revolutionären Technik will Jonas bestimmte Fälle der sogenannten Inkontinenz heilen. Allein jede vierte Frau über 40 ist davon betroffen. „Aus Schamgefühl lassen sich 60 bis 70 Prozent der inkontinenten älteren Patienten nicht behandeln“, schätzt Jonas.

Nachdem der Professor die richtigen Nervwurzeln lokalisiert hat, legt er eine Elektrode an. Diese verbindet er mit einem unter der Bauchhaut liegendem Apparat, dem eigentlichen Blasenstimulator. Mit ihm kann die Patientin später ihre Blasenfunktion steuern. Die Batterie hält rund sechs Jahre. Der „Blasenschrittmacher“ selber wird mit einem Magneten, der einfach an den Bauch gehalten wird, an- und ausgeschaltet. Der Eingriff von Jonas ist nach einer knappen Stunde beendet. Bis jetzt tragen in der Bundesrepublik 40 Menschen den Blasenstimulator mit gutem Erfolg. Hans-Edzard Busemann/dpa

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen